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13.03.2003; 18:35 Uhr
Journalisten und Verleger kritisieren Entscheidung des BVerfG zu Telefonüberwachung
Verbände fordern Gesetzesänderungen zu Gunsten von Journalisten

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Telefonüberwachung für Zwecke der Strafverfolgung ist bei Journalisten und Verlegern auf Kritik gestoßen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) erklärte am 12.3.2003, man sei mit dem Urteil "nicht zufrieden". DJV-Vorsitzender Rolf Lautenbach meinte, nun sei "der Gesetzgeber am Zug". Journalisten müssten die Möglichkeit haben, vertrauliche Gespräche mit ihren Informanten auch per Telefon zu führen. Jeder Informant werde es sich drei mal überlegen, ob er mit einem Journalisten telefoniere, wenn er befürchten muss, dass die Strafverfolgungsbehörden die Verbindungsdaten speicherten. Auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sprach von einer "Niederlage für die Pressefreiheit". Vertrauensschutz für Informanten sei ein unverzichtbarer Bestandteil journalistischer Arbeit, erklärte eine Gewerkschaftssprecherin. Journalistische Recherchen dürften nicht als Vehikel der Strafverfolgungsbehörden missbrauch werden. Auch ver.di forderte den Gesetzgeber auf, die Strafprozessordnung (StPO) zu Gunsten eines Informantenschutzes zu ändern. Ähnlich äußerte sich auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Das Vertrauensverhältnis zwischen Presse und Informant müsse "oberste Priorität" haben, forderte ein Sprecher des Verbands. Nur so könne die Presse ihre öffentliche Aufgabe erfüllen. Die Vergangenheit habe leider gezeigt, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht immer die nötige Sensibilität beim Umgang mit der Pressefreiheit zeigten. Die Zeitungsverleger forderten die Gerichte deshalb auf, bis zu einer neuen gesetzlichen Regelung im Einzelfall noch strenger zu prüfen, ob eine Telefonüberwachung tatsächlich erforderlich sei.

Das BVerfG hat am 12.3.2003 bestätigt, dass die Strafverfolgungsbehörden bei einem Verdacht auf erhebliche Straftaten Auskunft über die Verbindungsdaten von Telefongesprächen auch dann verlangen können, wenn davon Journalisten betroffen sind (Az. 1 BvR 330/96 u. 1 BvR 348/99). Der damit verbundene Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit zu Zwecken der Strafverfolgung sei in diesem Fall gerechtfertigt. Für eine entsprechende richterliche Anordnung müsse allerdings ein konkreter Tatverdacht bestehen und eine hinreichend sichere Tatsachengrundlage für die Annahme vorliegen, dass der durch die Anordnung Betroffene mit dem mutmaßlichen Straftäter über den Telefonanschluss in Verbindung stehe. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der Überlegung, es sei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, im Rahmen einer Abwägung zu klären, wie weit das Strafverfolgungsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Interesse der Medien an einer Geheimhaltung ihrer Quellen zurücktreten müsse. Der Gesetzgeber habe von dieser Gestaltungsbefugnis in nicht zu beanstandender Art und Weise Gebrauch gemacht. Der Entscheidung des BVerfG zu Grunde lagen Verfassungsbeschwerden mehrerer Journalisten, deren Telefonanschlüsse auf Grund richterlicher Anordnung überwacht worden waren. Mit Hilfe der dabei ermittelten Verbindungsdaten war es den Strafverfolgungsbehörden in einem der beiden Fälle gelungen, einen wegen mehrfachen Mordes gesuchten Terroristen zu fassen, nach dem vorher trotz erheblichen Aufwands jahrelang erfolglos gefahndet worden war.

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