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23.04.2003; 20:23 Uhr
Zulässigkeit ehrabschneidender Äußerungen gegenüber Abtreibungsärzten weiter unklar
Gericht erklärt Bezeichnung als "Mord" und "neuer Holocaust" für zulässig - Rechtslage umstritten

Die Zulässigkeit ehrabschneidender Äußerungen gegenüber Ärzten, die Abtreibungen vornehmen, ist weiter unklar. Nachdem das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) im Mai 2002 die Bezeichnung der Abtreibungen als "Mord" und "neuer Holocaust" für unzulässig erklärt hatte, meinte das Oberlandesgericht Karlsruhe am 23.4.2003, der betreffende Arzt müsse die Äußerungen hinnehmen (Az. 6 U 189/02). Eine entgegenstehende Entscheidung des Landgerichts Heidelberg (LG) hoben die Karlsruher Richter auf. Die Mitglieder des sechsten Zivilsenats erklärten, vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung könnten auch herabsetzende Äußerungen über Dritte gedeckt sein. Über die Zulässigkeit müsse in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrechtsschutz des Angegriffenen entscheiden. Wenn eine Meinungsäußerung wie im Fall nicht eigennützigen Zwecken diene, sondern als Beitrag im geistigen Meinungskampf zu verstehen sei, spreche eine Vermutung für ihre Zulässigkeit. Wegen der abweichenden Rechtsprechung des OLG Stuttgart ließen die Karlsruher Richter allerdings die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu.

Im Fall hatte ein Abtreibungsgegner wiederholt auf der Straße vor der Praxis eines Abtreibungsarztes im Landgerichtsbezirk Heidelberg demonstriert. Er trug dabei Schilder, auf denen er ein Ende der "rechtswidrigen Abtreibungen" des namentlich genannten Arztes forderte. Außerdem verteilte er Flugblätter, in denen es im Zusammenhang mit der namentlich genannten betreffenden Stadt unter anderem hieß: "Rechtswidrige Abtreibungen - Und Sie schweigen zum Mord an unseren Kindern?". In den Flugblättern wurden die Abtreibungen auch als "neuer Holocaust" bezeichnet. Der betroffene Arzt hatte den Abtreibungsgegner wegen der Demonstrationen erfolgreich auf Unterlassung verklagt. Das LG untersagte es dem Demonstranten, den Namen des Arztes mit den Begriffen "Mord" und "neuer Holocaust" in Zusammenhang zu bringen. Keinen Erfolg hatte der Arzt allerdings bereits in erster Instanz mit dem Versuch, dem Abtreibungsgegner auch den Vorwurf "rechtswidriger Abtreibungen" zu untersagen. Wie nun auch das OLG wies auch das LG darauf hin, dass dieser Vorwurf mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Einklang stehe. Die Verfassungsrichter hatten erklärt, nach dem Strafgesetzbuch (StBG) erlaubte Abtreibungen seien zwar rechtswidrig, blieben aber straffrei.

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