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06.09.2004; 16:54 Uhr
Zeitschriftenverleger fordern Hilfe der Abgeordneten gegen Caroline-Urteil
»Schere im Kopf von Journalisten, Fotografen und Verlegern immer schärfer«

Nachdem Entschluss der Bundesregierung vom 1.9.2004, keine Rechtsmittel gegen das die Berichterstattung über Prominente einschränkende Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 24.6.2004 (ZUM 2004, 651) einzulegen, richten deutsche Zeitschriften- und Zeitungsverleger ihren Appell an die Bundestagsabgeordneten. Laut einer Pressemitteilung des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) vom 6.9.2004 bitten sie die Volksvertreter, auf die Korrektur der Entscheidung der Bundesregierung hinzuwirken. Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des VDZ, und Dr. Volker Schulze, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) begründeten die Forderung mit dem Hinweis auf die Unteilbarkeit des Grundrechts auf Pressefreiheit. Es gelte gleichermaßen für den Qualitäts- wie den Boulevardjournalismus. Die Entscheidung der Bundesregierung sei »völlig unverständlich und nicht hinnehmbar«. Nicht nur durch die Entscheidung des EGMR sehen die Verbandschefs die Pressefreiheit beeinträchtigt. Auch durch Gesetze wie den so genannten Spanner-Paragraphen § 201 a StGB, die Rechtsprechung zum Zugang zu Stasi-Unterlagen oder durch die Regelungen zum Lauschangriff werde »die Schere im Kopf von Journalisten, Fotografen und Verlegern immer schärfer«. Man werde deshalb bis zum Ende der Einspruchsfrist am 24. September nichts unversucht lassen, die Bundesregierung doch zu veranlassen, ihre Haltung zu überdenken.

Nach dem Urteil des EGMR verstößt die deutsche Rechtsprechung zu dem Schutz der Privatsphäre von Prinzessin Caroline von Hannover als Person der Zeitgeschichte gegen Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Im Fall hatte sich Caroline von Hannover gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15.12.1999 (Az. 1 BvR 653/96 - ZUM 2000, 149) gewandt. Danach müsse die Prinzessin als Person der Zeitgeschichte die Veröffentlichung von Fotos hinnehmen, die sie an öffentlich zugänglichen Orten zeigen. Die Richter in Straßburg entschieden zu Gunsten der Klägerin. Die Öffentlichkeit habe kein legitimes Interesse daran zu erfahren, wo sich Caroline von Hannover aufhalte und wie sie sich in ihrem Privatleben verhalte.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries begründete die Entscheidung des Kabinetts mit der Stärkung des Persönlichkeitsrechts prominenter Personen, die nicht Träger eines öffentlichen Amtes seien. Diese sollten »nicht jedwede Art von Berichterstattung über ihre Person erdulden müssen«. Die Befürchtungen, durch das Urteil werde die Berichterstattung über bestimmte politische Vorgänge oder Affären eingeschränkt, wies die Ministerin nach Angaben der Bundesregierung zurück. Durch das Urteil sei nicht die deutsche Rechtsprechung zum Schutz der Privatsphäre von Politikern betroffen.

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