mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
29.01.2008; 16:38 Uhr
BVerfG lässt Fernsehaufnahmen aus dem Gerichtssaal unter Bedingungen zu
Nur außerhalb mündlicher Verhandlungen und bei Vorliegen eines gewichtigen öffentlichen Informationsinteresses

Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen können Fernsehaufnahmen aus dem Gerichtssaal zulässig sein. Weiterhin unzulässig bleiben sie aber während der mündlichen Verhandlung selbst. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am 19.12.2007 durch Beschluss (Az. 1 BvR 620/07 - Veröffentlichung in der ZUM folgt).

Nachdem das Landgericht Münster im Vorfeld der Verhandlung gegen 18 Bundeswehrausbilder, die Rekruten misshandelt haben sollen, Foto- und Fernsehteams für einen bestimmten Zeitraum vor und nach der Verhandlung aus dem Sitzungssaal gewiesen hatte, hatte das ZDF im Wege der Eilanordnung erwirkt, seinem Fernsehteam die Anfertigung von Aufnahmen der Verfahrensbeteiligten einschließlich der Richter und Schöffen zu ermöglichen. Dem hatte das BVerfG unter Auflagen entsprochen (ZUM 2007, 376, Heft 5), nun gab es auch im Hauptsacheverfahren der Verfassungsbeschwerde des ZDF statt.

So sei es zunächst im Interesse der öffentlichen Kontrolle von Gerichtsverhandlungen sowie auch der Justiz, wenn ihre Verhandlungen öffentlich wahrgenommen würden, wozu auch audiovisuelle Darstellungen beitrügen. Letzteres gelte aber nicht für die mündliche Verhandlung; hier sei die Saalöffentlichkeit sowie die Berichterstattung darüber ausreichend. Im Übrigen aber stehe einem Einsatz von rundfunkspezifischen Aufnahme- und Verbreitungstechniken vor und nach Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nichts entgegen, weil so Eindrücke aus dem Gerichtssaal für den Bürger anschaulicher vermittelt werden könnten, was wiederum der Befriedigung des Informationsinteresses diene. Letzteres könne vor allem bei Strafverfahren wegen der Schwere der Tat oder der Tatumstände besonders groß sein. Dabei müssten gleichwohl die berechtigten entgegenstehenden Schutzinteressen der Beteiligten in verhältnismäßiger Weise Berücksichtigung finden. insbesondere Resozialisieurngsaspekte, eine mögliche Prangerwirkung sowie Wahrung der Unschuldsvermutung auf Seiten der Angeklagten, Belastungssituationen für Zeugen und Belästigungs- und Gefährdungssituationen für die Organe der Rechtspflege.

Diese Aspekte hätten in die Ermessensentscheidung bei beschränkenden Anordnungen einzufließen, wobei Auflagen zur Anonymisierung sowie Anweisungen zu Standort, Zeit, Dauer und Art der Aufnahme, insbesondere so genannte Pool-Lösungen bei Raumknappheit zur Ermessenfehlerfreiheit führen können. Im verfahrensgegenständlichen Fall hingegen sei die Anordnung des LG Münster diesen Maßgaben nicht gerecht geworden. Vor allem sei trotz des großen öffentlichen Interesses bei den Angeklagten wegen ihrer Ausbildung als Soldaten der Bundeswehr nicht mit einer die Entscheidungsfindung erschwerenden Verunsicherung zu rechnen gewesen.

Dokumente:

Institutionen:

[IUM/hl]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 3287:

https://www.urheberrecht.org/news/3287/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.