mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
16.06.2011; 16:52 Uhr
BGH zum Schutz des Datenbankherstellers bei Übernahme unwesentlicher Teile
Verbotsrecht greift auch bei wiederholten und systematischen Entnahmen unwesentlicher Teile, die auf eine Beeinträchtigung hinauslaufen würde

Der BGH hat in seinem Urteil »Zweite Zahnarztmeinung II« zum Schutz des Datenbankherstellers gegen die Entnahme unwesentlicher Teile entschieden (Urteil vom 1. Dezember 2010, Az. I ZR 196/08, Veröffentlichung in ZUM oder ZUM-RD folgt). Die Parteien betreiben Internetplattformen, auf denen im jeweiligen Dienst registrierte Zahnärzte ihre Zweitmeinung zur Verfügung stellen. Die Dienste sollen eine Entscheidungshilfe für Patienten sein, bei denen schwierige Zahnbehandlungen anstehen. Bei der Beklagten sind 80, bei der Klägerin, die den Dienst als Erste anbot, 800 Ärzte registriert. Ca. 20 Zahnärzte erstellen für beiden Plattformen ihre Zweitmeinungen. Sie stellten ihre Zweitgutachten mit identischem Text (233 Fälle) oder nur schwach abgewandelt (117 Fälle) nach Veröffentlichung bei der Klägerin auch auf dem Portal der Beklagten online.

Das OLG Köln hatte in seinem klageabweisenden Urteil entschieden, dass der wesentliche Teil einer Datenbank nur deren Struktur (z.B. Index oder Thesaurus), nicht aber der (im konkreten Fall von Dritten eingepflegte) Datenbestand sein könne. Diese Bewertung beanstandete der BGH zwar. Sie wirke sich aber nicht aus, da die übernommenen Datensätze nur zehn Prozent und daher keinen wesentlichen Teil der klägerischen Investition in die Datenbank ausmachten. Des Weiteren hielten die Kölner Richter die Voraussetzungen des § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG nicht für erfüllt und wiesen die Klage ab.

Nach § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG steht die Verwertung von unwesentlichen Teilen der Entnahme wesentlicher Teile gleich, wenn dies der normalen Auswertung der Datenbank zuwiderläuft oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigt werden. Der BGH führt unter Bezugnahme auf die Begründung der Datenbank-Richtlinie (96/9/EG) aus, dass mit der Regelung in § 87 b Abs. 1 Satz 2 UrhG eine Umgehung des Leistungsschutzes durch mehrere unwesentliche Entnahmen, die kumulativ wesentlich sind,  verhindert werden solle. Eine verbotene Umgehungshandlung liege aber darüber hinaus auch vor, »wenn Entnahmehandlungen infolge ihres wiederholten und systematischen Charakters auf eine Beeinträchtigung der Interessen des Datenbankherstellers hinauslaufen würden«. Der BGH schließt sich hier dem Urteil des EuGH im Fall »BHB-Pferdewetten« an (im unten verlinkten Urteilstext Rn. 86 ff.). Daher hoben die Bundesrichter das Urteil des OLG Köln auf.

 

Dokumente:

  • Urteil des OLG Köln vom 14. November 2008, Az. 6 U 57/08, ZUM 2009, 578 (Volltext bei Beck Online)
  • Urteil des EuGH vom 9. November 2004, Az. C-203/02, ZUM-RD 2005, 1 (Volltext bei Beck Online)

Institutionen:

[IUM/eg]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 4309:

https://www.urheberrecht.org/news/4309/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.