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18.11.2014; 14:06 Uhr
BGH: Verwertung des Inhalts privater E-Mails eines Politikers zur Berichterstattung kein rechtswidriger Eingriff in Persönlichkeitsrecht
Von der Presse verfolgtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt auch im Fall rechtswidriger Beschaffung der Informationen durch einen Dritten

Der Kläger ist ein bekannter Politiker, der sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene im für die Sache relevanten Zeitraum wichtige Ämter innehatte. In den 90er Jahren unterhielt er eine außereheliche Beziehung zu einer damaligen Mitarbeiterin. 1997 brachte letztere eine Tochter zur Welt, deren Vater der Kläger ist. Bis Oktober 2003 erhielt die Mutter für diese Tochter Leistungen nach dem Unterhaltvorschussgesetz. Die Beklagten sind die Verlegerinnen von Zeitungen und die Betreiberin eines Online-Portals. Nachdem 2009 der private Computer des Klägers abhanden gekommen war, wurde einer der Beklagten der private E-Mail-Austausch zwischen dem Kläger und der Kindesmutter zugespielt. Auf Grundlage dieser Informationen warfen Redakteure der Beklagten dem Kläger in einem Interview Sozialbetrug vor. Aus den E-Mails ergehe, dass der Kläger keinen regelmäßigen Unterhalt für das Kind gezahlt habe. Der Kläger erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, durch die der fraglichen Beklagten untersagt wurde, vier E-Mails wörtlich oder sinngemäß publizistisch zu nutzen. Danach erschienen sowohl in den Zeitungen als auch in dem Internet-Portal Berichte über den Vorgang. 

Nach Ansicht des Klägers ist die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Berichterstattung rechtswidrig. Die E-Mails würden von seinem Laptop stammen, welcher ihm gestohlen worden sei. Das LG verurteilte die Beklagten u.a. es zu unterlassen, den Inhalt bestimmter E-Mails - in direkter oder indirekter Rede, wörtlich oder sinngemäß - zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Die Berufungen der Beklagten blieben erfolglos (LG Berlin, Urteil vom 28. Juni 2011, Az.: 27 O 719/10; KG Berlin, Urteil vom 5. November 2012, Az.: 10 U 118/11).

Mit erst jetzt veröffentlichtem Urteil vom 30. September 2014 hebt der VI. Zivilsenat des BGH auf Revision der Beklagten das Urteil des KG auf, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. 

Eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und seiner Geliebten gewechselten E-Mails stütze, greife zwar in die Vertraulichkeitssphäre des Klä-gers sowie in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. »Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen auch das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt.« 

Dieser Schutz sei aber nicht absolut. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers sei nicht rechtswidrig. Das von den Beklagten »verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.«

Die Beklagten hätten sich die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen. Die Informationen würden einen Missstand von erheblichem Gewicht offenbaren, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Aus den Informationen gehe hervor, dass sich der Kläger, ein einflussreicher Politiker, über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt habe.

(BGH, Urteil vom 30. September 2014, Az.: VI ZR 490/12; becklink 1034866)

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