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26.05.2015; 22:01 Uhr
BGH fällt Entscheidung zur Schrankenregelung des § 57 UrhG
Nicht Möbelkatalog ist eigentliches Werk, sondern einzelne dort abgebildete Fotografie

Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem in einem - auch online abrufbaren - Möbelkatalog abgebildeten Kunstwerk um ein »unwesentlichen Beiwerk« im Sinne des § 57 UrhG handelt, ist hinsichtlich des eigentlichen Nutzungsgegenstands nicht auf den gesamten Möbelkatalog, sondern auf die einzelne dort abgebildete Fotografie abzustellen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) durch Urteil vom 17. November 2014 (Az.: I ZR 177/13 - Veröffentlichung in der ZUM folgt) entschieden. Auch hinsichtlich der Frage nach dem vorliegen eines »unwesentlichen Beiwerks« im Verhältnis zum Hauptgegenstand legen die Karlsruher Richter die Regelung des § 57 UrhG eng aus.

Im Fall hatte ein Künstler einem Möbelhaus Gemälde zum Zwecke der Ausstellung überlassen. Nach Rückgabe bemerkte er, dass im Katalog der Beklagten eine Fotografie veröffentlicht worden war, die eines der Gemälde neben den in der Verkaufsausstellung der Beklagten präsentierten Möbeln zeigte. Die Fotografie war außerdem auf der Internetseite der Beklagten abrufbar. Ein Hinweis auf den Kläger als Urheber war nicht vorhanden. Hierdurch sah der Künstler sein Urheberrecht verletzt. Auf seine Abmahnung hin hat die Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben. Sie verweigerte allerdings eine ebenfalls verlangte Auskunftserteilung. Der Kläger hat im Wege der Stufenklage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, über die Art und Dauer der Zugänglichmachung der Fotografie Auskunft zu erteilen. Er kündigte an, die Beklagte nach erteilter Auskunft auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Anspruch zu nehmen. Die erste sowie die zweite Instanz sahen die Klage als unbegründet an. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln war das im Katalog und im Internetauftritt der Beklagten abgebildete Gemälde als unwesentliches Beiwerk im Sinne des § 57 UrhG anzusehen, so dass seine Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe in diesem Rahmen ohne weiteres zulässig gewesen sei (OLG Köln vom 23. August 2013 ZUM-RD 2014, 102 - Nachzulesen bei Beck Online). Eigentlicher Gegenstand der Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 57 UrhG, neben dem das Gemälde des Klägers als unwesentliches Beiwerk anzusehen sei, sei nicht die einzelne Fotografie, auf der das werk des Kläger abgebildet sei. Abzustellen sei vielmehr auf den gesamten Möbelkatalog und den vollständigen Internetauftritt der Beklagten.

Diese Ansicht teilt der BGH nicht. Die Karlsruher Richter stellen nicht auf den gesamten Katalog bzw. Internetauftritt ab, sondern auf die einzelne Fotografie. Die vom Berufungsgericht angenommene extensive Bestimmung des eigentlichen Gegenstands führe dazu, dass der Schutz eines urheberrechtlich geschützten Werkes umso geringer werde, je umfangreicher der vom potentiellen Verletzer gewählte Veröffentlichungskontext ist. Dies stehe im Widerspruch zu dem Grundsatz, die Schranken des Urheberrechts eng auszulegen.

Hinsichtlich der Prüfung, ob es sich bei dem Gemälde um ein unwesentliches Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand handelt, stellt der BGH fest, dass dies nur dann der Fall ist, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden kann, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffällt oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstandes in irgendeiner Weise beeinflusst wird. Während das Berufungsgericht den Einfluss verneinte und im dem Gemälde lediglich eine »reine Staffage« sah, setzt der BGH die Grenzen hiermit deutlich enger. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung sei unwesentlich im Sinne des § 57 UrhG nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreiche. Eine derart untergeordnete Bedeutung könne dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird. Dem Gemälde komme bei der werblichen Darstellung der Beklagten eine nicht unwesentliche ästhetische Bedeutung zu, indem es einen Kontrast zu den Möbeln biete und deren Wirkung auf den Betrachter beeinflusse.

Weiter bemängelt der BGH, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Unwesentlichkeit den Gesichtspunkt der Austauschbarkeit des im Rahmen des Hauptgegenstandes verwendeten Werks unzutreffend berücksichtigt habe, in dem es das Gemälde als »ohne weiteres austauschbare Staffage« angesehen habe. Denn soweit das Gemälde, wie hier, vom Betrachter als zum Gesamtkonzept gehörig wahrgenommen werde, komme es auf den Gesichtspunkt der ästhetischen oder stilistischen Austauschbarkeit mit einem anderen Werk nicht mehr an.

[IUM/kr]

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