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18.09.2015; 09:58 Uhr
BGH entscheidet zur Vergütungspflicht von Gemeinschaftsantennenanlagen
und lehnt das Vorliegen einer "öffentlichen Wiedergabe" im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG ab

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft schuldet keine Vergütung für die Weiterübertragung der über die Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage per Satellit empfangenen Fernseh- und Hörfunksignale durch ein Kabelnetz an die Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungseigentümer. Dies hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs laut Pressemitteilung vom 17. September 2015 durch Urteil desselben Tags entschieden (Az.: I ZR 228/14 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt). 

Im Fall hatte die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) eine Wohnungseigentümergemeinschaft eines Wohngebäudes mit 343 Wohneinheiten verklagt. Die Beklagte betreibt in ihrem Gebäude ein Kabelnetz, mit dem das von einer Gemeinschaftsantenne abgeleitete Sendesignal in die einzelnen Wohnungen weitergeleitet wird. Nach Ansicht der GEMA verletzt die Beklagte mit der Weiterleitung der Sendesignale das Kabelweitersenderecht der von ihr vertretenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten. Sie hat die Beklagte daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Wie die beiden Vorinstanzen (LG München vom 20. Februar 2013, ZUM-RD 2013, 621 - abrufbar bei Beck Online, OLG München vom 11. September 2014, ZUM 2015, 154 - abrufbar bei Beck Online) hat der BGH den Anspruch der Klägerin abgelehnt. 

Das Oberlandesgericht habe mit Recht angenommen, dass die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Betreib der Kabelanlage nicht das von der Klägerin wahrgenommene ausschließliche Recht von Urhebern, ausübenden Künstlern, Sendeunternehmen und Filmherstellern zur Kabelweitersendung verletzt hat. Die obersten Richter lehnten das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG ab. Der Begriff sei in Übereinstimmung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sowie Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EUGH) auszulegen. Danach setze die Öffentlichkeit einer Wiedergabe voraus, dass einer "unbestimmten Zahl potentieller Adressaten" der Zugang zu denselben Werken und Leistungen eröffnet wird. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn die Wiedergabe auf "besondere Personen" beschränkt sei, die einer "privaten Gruppe" angehören. Dies sah der I. Zivilsenat im Fall als erfüllt an, da die Empfänger der von der Beklagten über eine Gemeinschaftsantenne per Satellit und durch ein Kabelnetz in die Wohnungen der Wohnanlage weitergeleiteten Sendesignale in ihrer Eigenschaft als Bewohner der Wohnanlage von anderen Personenkreisen abgegrenzt seien.

Der BGH stellt in dem Urteil klar, dass der für den unionsrechtlichen Begriff der Öffentlichkeit maßgebliche Begriff der "privaten Gruppe" nicht ohne Weiteres mit dem für den nationalen Begriff der Öffentlichkeit im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG maßgeblichen Begriff der "persönlichen Verbundenheit" gleichgesetzt werden kann. Dabei handele es sich um einen autonomen Begriff des Unionsrechts, der im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen sei. Aus der Rechtsprechung des EUGH ergebe sich nicht, dass eine "private Gruppe" aus wenigen Personen bestehen müsse. Vielmehr sei hier zu berücksichtigen, dass die Sendesignale von einer Wohnungseigentümergemeinschaft ausschließlich in die Wohnungen der dieser Gemeinschaft angehörenden Wohnungseigentümer übermittelt werden. Der BGH sieht bei einer wertenden Betrachtung keinen Unterschied zwischen dem Empfang mittels einer gemeinsamen Satellitenschüssel und der folgenden Weiterleitung über ein Kabelnetz in die einzelnen Wohnungen und der Fallgestaltung, dass jeder einzelne Eigentümer für seine eigene Wohnung eine gesonderte Antenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte in seiner Wohnung weiterleitet. Im zuletzt genannten Fall liege keine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vor, weil die Wiedergabe auf "besondere Personen" beschränkt sei, die einer "privaten Gruppe" angehörten. Wenn die Gesamtheit der Wohnungseigentümer anstelle zahlreicher Einzelantennen eine Gemeinschaftsantenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungen weiterleitet, sei das daher gleichfalls als eine Wiedergabe anzusehen, die auf "besondere Personen" beschränkt sei, die einer "privaten Gruppe" angehören. Im Ergebnis leiten die einzelnen Eigentümer die Sendungen nur an sich selbst weiter, so die Ausführungen der Pressemitteilung. 

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[IUM/kr]

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