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30.09.2015; 20:56 Uhr
LG Köln spricht Kachelmann Rekordsumme in Schmerzensgeldprozess wegen Berichterstattung bei Bild und Bild Online zu
635.000,00 Euro ist höchste in Deutschland bisher erstrittene Schmerzensgeldzahlung

Im Rechtsstreit zwischen Jörg Kachelmann und dem Axel Springer Verlag sowie der Bild GmbH & Co KG wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die »Bild«-Zeitung (Print und Online) hat das Landgericht Köln am 20. September 2015 entschieden und die Rekordsumme von 635.000,00 Euro veranschlagt (Az: 28 O 2/24, 28 O 7/14 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt).

Wie »Spiegel Online« am 30. September 2015 berichtet, sah das LG Köln Kachelmann durch die Preisgabe von Informationen über sein Sexualleben, durch die teilweise wörtliche Veröffentlichung seines SMS- und E-Mail-Verkehrs und durch die Veröffentlichung von Fotos, die ihn zum Beispiel beim Hofgang in der Justizvollzugsanstalt zeigten, in seiner Intimssphäre, seinem informellen Selbstbestimmungsrecht und seinem Recht am eigenen Bild verletzt. Ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit konnten die Richter nicht erkennen. Weiter hätten die Berichte zu unzulässigen Vorverurteilungen Kachelmanns geführt. Durch die Berichterstattung werde Kachelmann auch in Zukunft als frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch stigmatisiert. 

Eine wie vom Kläger angeführte Pressekampagne mit anderen Verlagen konnte das Gericht dagegen nicht erkennen. Wie »Spiegel Online« aus dem Urteil zitiert stellt vor dem Hintergrund der grundsätzlich bestehenden Konkurrenz der einzelnen Verlage allein das wechselseitige Zitieren der Berichterstattung kein hinreichendes Indiz für ein planmäßiges und auf die Schädigung des Klägers gerichtetes Zusammenarbeiten der Verlage dar. 

Laut dem Bericht verurteilten die Richter »Bild Online« zur Zahlung von 300.000,00 Euro wegen 18 Fällen rechtswidriger Berichterstattung, die Printausgabe muss 335.000 Euro wegen 20 Fällen zahlen. Der Anwalt Kachelmanns, Ralf Höcker, sah seinen Mandanten laut »Spiegel Online« der »schlimmsten Hetzkampagne der deutschen Presserechtsgeschichte« ausgesetzt. »Sein Ruf wurde durch Bild & Co. vollständig ruiniert. Dieses Urteil ist die Quittung. Es wird hoffentlich abschreckende Wirkung auf den Boulevard haben.«

Ursprünglich hatte der Moderator insgesamt 2,25 Millionen Euro Entschädigung vom Springer-Konzern wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die »Bild«-Zeitung verlangt. Auch wenn die zugesprochene Summe die beanspruchte nicht erreicht, so handelt es sich laut der Medien doch um das höchste Schmerzensgeld, das je in einem Presseprozess ausgesprochen wurde. Wie »Spiegel Online« weiter berichtet, hielt diesen Rekord bisher die schwedische Prinzessin Madeleine, die vor dem Oberlandesgericht Hamburg im Jahr 2009 400.000 Euro wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Berichterstattung in Klatschmedien erstritt (Az.: 7 U 4/08, ZUM-RD 2010, 670 - Abrufbar bei Beck Online).

Gegenüber Meedia stellt Springer-Anwalt Jan Hegemann laut einem Bericht vom 30. September 2015 den neuen Rekord relativierend dar, indem er darauf hinweist, dass man die gegen »Bild« und »Bild Online« verhängten Summen addieren müsse, um auf die Rekordsumme zu kommen. Und wenn man die Summe auf den Preis pro Artikel herunterbreche, ergäben sich etwa für die Bild-Zeitung nur 16.750,00 Euro - da seien in der Vergangenheit schon deutlich höhere Ansprüche zuerkannt worden. In jedem Fall werde man Berufung einlegen. »Denn es liegt weder im Interesse einer freien Presse noch der Öffentlichkeit, dass Medien irrwitzige Geldentschädigungen zahlen müssen, wenn sie über aufsehenerregende Strafprozesse gegen bekannte Persönlichkeiten berichten«, so Hegemann gegenüber Meedia.

Der Anwalt Kachelmanns kündigte laut Meedia ebenfalls an, Berufung einzulegen. Zwar sei man mit der Entscheidung zufrieden, wolle aber dennoch alles unternehmen, um die Summe in der zweiten Instanz zu erhöhen.

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