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24.10.2015; 09:35 Uhr
EUGH: Auch das Anbieten kurzer Videos auf der Subdomain einer Online-Zeitung kann ein audiovisueller Mediendienst sein
wenn das Angebot in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit der Online-Zeitung eigenständig ist

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH) hat am 21. Oktober 2015 entschieden, dass der Begriff »Sendung« im Sinne der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie 2010/13/EU) die Bereitstellung kurzer Videos, die kurzen Sequenzen aus lokalen Nachrichten, Sport oder Unterhaltung entsprechen, in einer Subdomain der Webseite einer Zeitung erfasst (Az.: C-347/14 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt). Laut einer Pressemitteilung des EUGH vom selben Tag stellen die Luxemburger Richter in dem Urteil insbesondere fest, dass die Dauer der Videos unerheblich ist und sich die Art und Weise, wie die in Rede stehenden Videos ausgewählt werden, nicht von derjenigen unterscheidet, die im Rahmen der audiovisuellen Mediendienste auf Abruf vorgeschlagen wird. 

In dem österreichischen Ausgangsfall geht es um New Media Online, eine Gesellschaft, die die Online-Zeitung »Tiroler Tageszeitung Online« betreibt, auf deren Webseite ein Link mit der Bezeichnung »Video« auf eine Subdomain führt, auf der mehr als 300 Videos angesehen werden konnten. Die Videos hatten Längen von 30 Sekunden bis zu mehreren Minuten. Sie behandelten verschiedene Themen, von lokalen Veranstaltungen bis zu Bastelanleitungen für Kinder oder redaktionell ausgewählte Videos von Lesern. Nur wenige dieser Videos hatten laut der Pressemitteilung einen Bezug zu den Artikeln auf der Webseite der Zeitung. Außerdem wurde ein Teil der Videos von einem regionalen Fernsehsender, Tirol TV, auf dessen Seite diese Videos ebenfalls abrufbar waren.

Die österreichische Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) hatte entschieden, dass die Subdomain »Video« einen audiovisuellen Mediendienst darstellte, der in Österreich einer Anzeigepflicht unterliegt. Diese Entscheidung wurde von dem Bundeskommunikationssenat bestätigt. New Media Online brachte den Fall vor den österreichischen Verwaltungsgerichtshof. Dieser ersuchte den EUGH daraufhin um die Auslegung der AVMD-Richtlinie, die u.a. darauf abzielt, Verbraucher und vor allem Minderjährige zu schützen. Der Pressemitteilung zufolge sind in der Richtlinie daher Anforderungen festgelegt, die audiovisuelle Mediendienste insbesondere hinsichtlich kommerzieller Kommunikationen und Sponsoring erfüllen müssen.

Nach der Richtlinie ist ein audiovisueller Mediendienst entweder ein Fernsehprogramm oder ein audiovisueller Mediendienst auf Abruf. Sein Hauptzweck besteht in der Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit. Die Richtlinie sieht ausdrücklich vor, dass sie nicht für elektronische Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gilt.

In der nun vorgenommenen Auslegung stellt der Gerichtshof weiter fest, dass bei der Beurteilung des Hauptzwecks eines in der elektronischen Ausgabe einer Zeitung angebotenen Dienstes der Bereitstellung von Videos darauf abzustellen ist, ob dieser Dienst als solcher in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit des Betreibers der Webseite eigenständig und nicht nur eine - insbesondere wegen der zwischen dem audiovisuellen Angebot und dem Textangebot bestehenden Verbindungen - untrennbare Ergänzung dieser Tätigkeit ist. Stellen die audiovisuellen Elemente allerdings nur eine Nebenerscheinung dar und dienen nur zur Ergänzung des Presseartikelangebots, dann ist die elektronische Augabe einer Zeitung nicht als audiovisueller Dienst zu behandeln. Dies zu beurteilen sei Sache des Verwaltungsgerichtshofs.

Abschließend weist die Pressemitteilung darauf hin, dass im vorliegenden Fall nur wenige Presseartikel mit den fraglichen Videosequenzen verlinkt zu sein schienen. Auch seien offenbar die Mehrheit dieser Videos unabhängig vom Abrufen der Artikel der elektronischen Ausgabe der Zeitung zugänglich und abrufbar. Diese Gesichtspunkte sprächen dafür, dass der in Rede stehende Dienst in Inhalt und Funktion gegenüber der journalistischen Tätigkeit von New Media Online eigenständig und damit ein Dienst sei, der sich von den übrigen von New Media Online angebotenen Diensten unterscheide. Die genaue Beurteilung stellt der Gerichtshof jedoch als Aufgabe dem Verwaltungsgerichts. 

Laut einem Bericht der »Legal Tribune Deutschland« (LTD) vom 21. Oktober 2015 zufolge hatte Generalanwalt Szpunar vor den Folgen einer zu extensiven Definition des Begriffs der »audiovisuellen Mediendienste« in seinen Schlussanträgen gewarnt. Hierzu gehört demzufolge insbesondere der Umfang der administrativen Kontrolle, die »eine riesige Herausforderung für die Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten« darstellen würde, da es sehr einfach sei, Webseiten zu erstellen und »beliebige Inhalte, darunter audiovisuelle« einzufügen. Dies würde dazu führen, dass die Regulierungsbehörden das Internet überwachen müssten. Wie die »LTD« den Generalanwalt weiter zitiert, könnte der Versuch einer allzu weitgehenden Regulierung daher dazu führen, dass die Richtlinie ihre Effektivität selbst in dem Bereich verleire, dessen Regelung sie bestimmungsgemäß dient. Darüber hinaus seien audiovisuelle Mediendienste bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu registrieren, woran einige Mitgliedstaaten wie z.B. Großbritannien, weitere Pflichten, etwa zur Entrichtung von Gebühren, knüpften.

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