mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
29.10.2015; 08:37 Uhr
BGH entscheidet zur Frage der Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens als Prozessvoraussetzung
Die Ausnahme des § 16 Abs. 2 S. 1 UrhWG kann nicht auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG ausgedehnt werden

Für Streitigkeiten über die Vergütungspflicht der Hersteller von Geräten und Speichermedien an denen eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist, ist die Durchführung des Verfahrens vor der Schiedsstelle auch dann Prozessvoraussetzung, wenn die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 27. August 2015 entschieden (Az. I ZR 148/14 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt).

Im Fall hatte eine Verwertungsgesellschaft, die ihr von privaten Fernseh- und Hörfunkveranstaltern eingeräumten Vergütungsansprüche gem. §§ 54, 54 b UrhG wahrgenommen. Die Beklagte stellt Speichermedien her, die sie im Inland vertreibt. Die Klägerin hat die Beklagte wegen des Inverkehrbringens von Speichermedien auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 54 Abs. 1 UrhG in Anspruch genommen. Der sich aus § 87 Abs. 4 UrhG ergebende Ausschluss der Sendeunternehmen von einem solchen Vergütungsanspruch sei mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft unvereinbar und daher unbeachtlich, so die Klägerin (vgl. Meldung vom 5. Dezember 2013 und das Gutachten von Prof. Matthias Leistner).

Mit seinem Beschluss bestätigte der BGH nun die Vorinstanz des Oberlandesgerichts (OLG) München, das die Klage als unzulässig abgewiesen hatte (OLG München vom 22. Mai 2014, Az.: 6 Sch 20/13 WG, ZUM 2014, 810 - abrufbar bei Beck Online). Nach Ansicht der Karlsruher Richter hatte das OLG die Unzulässigkeit der Klage mit Recht angenommen, da der Klageerhebung entgegen § 16 Abs. 1 UrhWG kein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgegangen ist. Bei Streitfällen nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b UrhWG, an denen - wie hier - eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und der die Vergütungspflicht nach § 54 UrhG betrifft, können dem Beschluss zufolge gem. § 16 Abs. 1 UrhWG Ansprüche im Wege der Klage grundsätzlich erst geltend gemacht werden, nachdem ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgegangen ist oder (was in dem aktuellen Fall mangels vorheriger Anrufung der Schiedsstelle nicht in Betracht kam) nicht innerhalb des Verfahrenszeitraums nach § 14 a Abs. 2 S. 1 und 2 UrhWG abgeschlossen worden ist. Der erste Zivilsenat stellt klar, dass die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens Prozessvoraussetzung ist. 

Eine Ausnahme besteht gem. §§ 16 Abs. 2 S. 1, wenn die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten wird, allein für die Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und die die Nutzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werken oder Leistungen betreffen. Diese Ausnahme gilt allerdings nicht für Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst b UrhWG, wie dem hier in Rede stehenden Rechtsstreit über die Vergütungspflicht nach § 54 UrhG, wenn wie hier nicht über die Anwendbarkeit und die Angemessenheit eines Tarifs gestritten wird. § 16 Abs. 2 S. 1 UrhWG kann über seinen Wortlaut hinaus nicht auf Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UrhWG ausgedehnt werden, auch wenn bei diesen Streitfällen die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind. Der BGH führte hierzu aus, dass mit Blick auf die Neufassung des § 16 Abs. 4 S. 1 UrhWG durch das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft insoweit keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein entsprechendes Redaktionsversehen des Gesetzgebers bestehen.

Dokumente:

[IUM/kr]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 5483:

https://www.urheberrecht.org/news/5483/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.