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05.11.2015; 22:24 Uhr
BGH entscheidet zum Umfang des Verbreitungsrechts
I. Zivilsenat: Werbung für den Erwerb eines Werkes greift in das Urheberrecht ein

Das urheberrechtliche Verbreitungsrecht umfasst das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten. Dies hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am 5. November 2015 laut einer Pressemitteilung des gleichen Tages in drei Fällen entschieden (Az.: I ZR 91/11 - Marcel-Breuer-Möbel II;  I ZR 76/11 - Wagenfeld Leuchte II; I ZR 88/13 - Al di Meola).

Die Klägerin des Verfahrens I ZR 91/11 ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Möbeln nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe. Die Beklagte ist eine Gesellschaft italienischen Rechts, die europaweit Designmöbel im Direktvertrieb vermarktet. In den Jahren 2005 und 2006 hat die Beklagte auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite, in verschiedenen deutschen Tageszeitungen und Zeitschriften sowie in einem Werbeprospekt für den Kauf von Möbeln, die geschützten Designs entsprechen, mit folgendem Hinweis geworben: »Sie erwerben ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt).« So konnten auch Nachbildungen der von Marcel Breuer entworfenen Möbel erworben werden. Die Klägerin sieht das ausschließliche Verbreitungsrecht gem. § 17 Abs. 1 UrhG dadurch verletzt, dass die Beklagte mit einer gezielt auf Deutschland ausgerichteten Werbekampagne Vervielfältigungsstücke von in diesem Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützten Möbelstücken zum Erwerb angeboten hat. Sie hat die Beklagte daher auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Das Verfahren I ZR 76/11 - Wagenfeld Leuchte II  - richtet sich gegen die gleiche Beklagte wie das Verfahren I ZR 91/11. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Leuchten nach den Entwürfen von Prof. Wilhelm Wagenfeld . Sie produziert und vertreibt die sogenannte Wagenfeld-Leuchte. Die Beklagte wirbt auch in diesem Fall deutschsprachig im Internet und in Printmedien mit der Möglichkeit, Nachbildungen der Wagenfeld-Leuchte in Italien zu beziehen und unmittelbar oder zu Händen eines Spediteurs zur Mitnahme nach Deutschland übereignet erhalten können. Ebenso wie im Fall I ZR 91/11 sieht die Klägerin ihr Recht gem. § 17 Abs. 1 UrhG verletzt und nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch. Die erste und zweite Instanz haben der Klägerin Recht gegeben. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Im Verfahren I ZR 88/13 - Al di Meola - betreibt die Beklagte im Internet einen Tonträgerhandel. Am 30. November 2011 konnte man auf der Internetverkaufsseite der Beklagten eine nicht autorisierte Schwarzpressung der DVD »Al Di Meola - in Tokio (Live)« erwerben. Die Klägerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, mahnte die Beklagte im Auftrag des Künstlers ab. Nach Ansicht der Klägerin verletzt das Anbieten der DVD das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers aus § 77 Abs. 2 S. 1 Fall 2 UrhG. Zwar entfernte die Beklagte das Angebot von ihrer Internetseite und gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Im Streit stehen jedoch noch die Abmahnkosten, die die Beklagte nicht zahlen wollte. Auch hier haben die ersten zwei Instanzen der Klägerin Recht gegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. 

In allen drei Verfahren hat der BGH nun die Revision zurückgewiesen. § 17 Abs. 1 UrhG sei richtlinienkonform auszulegen. Der Gerichtshofs der Europäischen Union (EUGH) hatte auf Vorlage des BGH am 13. Mai 2015 Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dahingehend ausgelegt, dass der Inhaber des ausschließlichen Verbreitungsrechts an einem geschützten Werk Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke des Werkes auch dann verbieten kann, wenn nicht erwiesen sein sollte, dass es aufgrund dieser Werbung zu einem Erwerb des Schutzgegenstands durch einen Käufer aus der Union gekommen ist, sofern die Werbung die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Werk urheberrechtlich geschützt ist, zu dessen Erwerb anregt (Az.: C 516/13, ZUM 2015, 556 - abrufbar bei Beck Online - vgl. hierzu die Meldung vom 14. Mai 2015). Entsprechendes gilt laut der Pressemitteilung auch für den Inhaber des ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers nach § 77 abs. 2 S. 1 UrhG (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/115/EG), den Bild- oder Tonträger, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers aufgenommen worden ist, zu verbreiten.

Der BGH hat daher entschieden, dass die beanstandete Werbung in den Verfahren I ZR 91/11 und I ZR 76/11 das ausschließliche Recht zur Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der in Deutschland als Werke der angewandten Kunst geschützten Modelle der Möbel von Marcel Breuer, Ludwig Mies van der Rohe und der Wagenfeld-Leuchte verletzt. Bei der Werbung handele es sich um eine gezielte Werbung in Bezug auf Vervielfältigungsstücke der Möbelmodelle und des Leuchtenmodells, die die Verbraucher in Deutschland zu deren Erwerb anregt. Daher könne sie auch dann verboten werden, wenn es aufgrund dieser Werbung nicht zu einem Erwerb solcher Möbel durch Käufer aus der Union gekommen sein sollte. Ebenso handele es sich in dem Verfahren I ZR 88/13 bei dem Einstellen der DVD auf einer Internetverkaufsplattform, durch das zum Erwerb des Vervielfältigungsstücks eines Bildtonträgers aufgefordert wird, auf den die Darbietung des ausübenden Künstlers Al Di Meola aufgenommen worden ist, um ein das Verbreitungsrecht des ausübenden Künstlers verletzendes Angebot an die Öffentlichkeit.

Dokumente:

[IUM/kr]

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