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27.11.2015; 10:37 Uhr
BGH fällt Urteile zur Störerhaftung von Access-Providern
Access-Provider haftet erst dann, wenn Rechteinhaber zumutbare Anstrengungen unternommen hat, um bspw. gegen Webseitenbetreiber und Host-Provider vorzugehen.

Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am 26. November 2015 in einer Pressemitteilung berichtet, hat der Erste Senat am selben Tag in zwei Verfahren über die Haftung von Unternehmen, die den Zugang zum Internet vermitteln (Access-Provider), für Urheberrechtsverletzungen Dritter entschieden (Az.: I ZR 3/14, I ZR 174/14 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt).

Wie der BGH mitteilt handelt es sich im Verfahren I ZR 3/14 um eine Klage der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) gegen Deutschlands größtes Telekommunikationsunternehmen. Dieses war Betreiberin eines zwischenzeitlich von einer konzernverbundenen Gesellschaft unterhaltenen Telefonnetzes, über das ihre Kunden Zugang zum Internet erhielten. Als sogenannter Access-Provider vermittelte die Beklagte ihren Kunden auch den Zugang zu der Webseite »3dl.am«. Die GEMA machte eine Verletzung der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte geltend. Nach ihrer Darstellung konnte über die Webseite »3dl.am« auf eine Sammlung von Links und URLs zugegriffen werden, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikwerke ermöglichten, die bei Sharehostern wie »RapidShare«, »Netload« oder »Uploaded« widerrechtlich hochgeladen worden waren. Die GEMA hat die Beklagte daher auf Unterlassung in Anspruch genommen, über von ihr bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite »3dl.am« zu ermöglichen. In den zwei ersten Instanzen blieb die GEMA erfolglos (LG Hamburg vom 12. März 2010 - ZUM 2010, 902, OLG Hamburg vom 21. November 2013, 5 U 68/10). Auch der BGH hat die Revision nun zurückgewiesen.

Ebenso verhält es sich in dem Parallelverfahren I ZR 174/14. Im Fall hatten Tonträgerhersteller gegen die Betreiberin eines Telekommunikationsnetzes geklagt. Über das Netz konnten die Kunden Zugang zum Internet erhalten, so auch zu der Webseite »goldesel.to«. Die Klägerinnen machten eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte gem. § 85 UrhG geltend. Nach ihrer Darstellung konnte über die Webseite »goldesel.to« auf eine Sammlung von zu urheberrechtlich geschützten Musikwerken führenden Links und URLs zugegriffen werden, die bei dem Filesharing-Netzwerk »eDonkey« widerrechtlich hochgeladen worden waren. Daher haben die Klägerinnen die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, über die von ihr bereitgestellten Internetzugänge Dritten den Zugriff auf Links zu den streitbefangenen Werken über die Webseite »goldesel.to« zu ermöglichen. Auch hier haben die ersten zwei Instanzen den Klägerinnen nicht Recht gegeben (LG Köln ZUM-RD 2011, 701, OLG Köln ZUM-RD 2014, 639 - abrufbar bei Beck-Online). Auch der BGH hat nun die Revision zurückgewiesen.

Der BGH führt zur der Zurückweisung der Revisionen aus, dass ein Access-Provider zwar von einem Rechteinhaber grundsätzlich als Störer darauf in Anspruch genommen werden kann, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. Allerdings scheiterte die Störerhaftung in beiden Fällen an dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Nach den Ausführungen des BGH kommt eine Störerhaftung danach nur dann in Betracht, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die - wie der Betreiber der Internetseite - die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder - wie der Host-Provider - zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitere oder ihr jede Erfolgsaussicht fehle und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, sei die Inanspruchnahme des Access-Providers als Störer zumutbar. Betreiber und Host-Provider seien wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittle. Bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten habe der Rechtsinhaber in zumutbarem Umfang - etwa durch Beauftragung einer Detektei oder Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden - Nachforschungen vorzunehmen. An dieser Voraussetzung fehle es in beiden Fällen.

So habe die GEMA im Verfahren I ZR 3/14 zwar gegen den Betreiber der Webseite »3dl.am« eine einstweilige Verfügung erwirkt. Diese habe aber nicht zugestellt werden können. Den gegen den Host-Provider gerichteten Verfügungsantrag habe die Klägerin zurückgenommen, da sich auch seine Adresse als falsch erwiesen habe. Mit der Tatsache, dass die Adressen des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers falsch waren, hätte sich die Klägerin aber nach Ansicht des BGH nicht zufrieden geben dürfen. Vielmehr hätte sie weitere zumutbare Nachforschungen unternehmen müssen.

Die Klägerinnen des Verfahrens I ZR 174/14 sind nach Angaben des BGH aus dem Grund nicht gegen den Betreiber der Webseiten mit der Bezeichnung »goldesel« vorgegangen, da dem Webauftritt die Identität des Betreibers nicht habe entnommen werden können. Die Klägerinnen hätten nicht vorgetragen, weitere zumutbare Maßnahmen zur Aufdeckung der Identität des Betreibers der Internetseiten unternommen zu haben.

Die GEMA begrüßte in einer Pressemitteilung vom 26. November 2015 das Urteil des Verfahrens I ZR 3/14. Der BGH habe mit einem Grundsatzurteil bestätigt, dass Access-Provider wie die Telekom dazu verpflichtet werden könnten, den Zugang ihrer Kunden zu urheberrechtsverletzenden Webseiten durch Sperrung des Zugangs zu erschweren, wenn deren Betreiber und Hoster nicht identifiziert werden können. Dr. Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA, erklärte, dass die Grundsatzentscheidung längst überfällig gewesen sei, da sie »wegweisend für den Schutz der Rechte unserer Urheber im digitalen Musikmarkt« sei. »Endlich haben wir Rechtsklarheit darüber, dass Zugangssperren von Webseiten, die illegal urheberrechtlich geschützte Musikwerke massenhaft anbieten, zulässig sind.« Er wertete die Entscheidung als »wichtigen Schritt zur Bekämpfung der Internetpiraterie«.

Der Digitalverband BITKOM begrüßt dagegen, »dass die Klagen der GEMA und der Tonträgerhersteller gegen die Internetzugangsprovider abgewiesen wurden«. Allerdings weist BITKOM-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder darauf hin, dass »die Gefahr, dass Internetprovider bei Urheberrechtsverletzungen Netzsperren einrichten müssen, nach dem BGH-Urteil nicht vollständig gebannt« ist.

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