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21.12.2016; 21:01 Uhr
BGH: Keine Entschädigung bei vertretbarer Beschlagnahme von Presseerzeugnissen
»Zeitungszeugen«-Verleger hat Maßnahme durch riskantes Verhalten veranlasst

Der BGH hat mit Urteil vom 15. Dezember 2016 entschieden, dass der britische Verleger der Publikation »Zeitungszeugen« weder Schadensersatz noch Entschädigung für die Beschlagnahme von von ihm nachgedruckter NS-Propaganda erhält (Az.: III ZR 387/14). 

In der Ausgabe 02/2009 lagen dem Journal »Zeitungszeugen« Nachdrucke des NS-Hetzblatts »Völkischer Beobachter« vom 1. März 1933 und des NS-Propagandaplakats »Der Reichstag in Flammen« bei. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Verleger wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstößen gegen das Urheberrecht ein. Auf den Beschlagenahmebeschluss des zuständigen Amtsgerichts hin wurden bundesweit etwa 12.000 Exemplare der Ausgabe 02/2009 des Journals beschlagnahmt. Der Verleger forderte daraufhin mehr als 2,6 Millionen Euro Schadensersatz und Entschädigung vom Freistaat Bayern. 

Der u.a. für das Staatshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat des BGH lehnt einen Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung endgültig ab. In seiner Entscheidung stellt er klar, dass im Ermittlungsverfahren getroffene staatsanwaltschaftliche und richterliche Maßnahmen im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen seien. Angesichts der äußerst komplexen und komplizierten Sach- und Rechtslage und der Notwendigkeit einer Eilentscheidung sei es vertretbar gewesen, hinsichtlich der Ausgabe des »Völkischen Beobachters« vom 1. März 1933 den (starken) Anfangsverdacht einer Verletzung des Urheberrechts zu bejahen. Dies gelte auch für die Beurteilung von Ansprüchen aus enteignungsgleichem Eingriff. Die Bejahung einer vertretbaren Maßnahme führe gleichsam dazu, die Rechtswidrigkeit des Eingriffs als Voraussetzung einer Haftung zu verneinen war. Auch stehe dem Verleger kein Anspruch aus einem enteignenden Eingriff zu, weil er kein unzumutbares Sonderopfer habe hinnehmen müssen. Das Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden sei durch das riskante Verhalten des Verlegers selbst veranlasst worden. Dieser habe sich bewusst für eine »grenzwertige« Veröffentlichung des Journlas »Zeitungszeugen« entschieden. 

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