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12.07.2002; 12:55 Uhr
BGH: Pressespiegelprivileg gilt grundsätzlich auch für elektronische Pressedienste
Texte müssen aber als Grafik und an "überschaubaren Personenkreis" vertrieben werden

Auch elektronische Pressespiegel dürfen grundsätzlich ohne Zustimmung der Rechteinhaber der übernommenen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel vervielfältigt und verbreitet werden. Das erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) am 11.7.2002 in Karlsruhe in einer lang erwarteten Grundsatzentscheidung (Az. I ZR 255/00). Ein abweichendes Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG) hoben die Richter auf. Die entsprechenden Regelungen des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) sind nach Auffassung des BGH aber nur dann anwendbar, wenn die verwendeten Texte als Grafik verbreitet werden, weil nur dann ein Missbrauch wie beispielsweise der Aufbau einer Datenbank durch den Empfänger verhindert werden kann. Ausserdem dürfen die Pressespiegel nur an einen "überschaubaren Personenkreis" vertrieben werden, wie das beispielsweise bei betriebs- oder behördeninternen Presseübersichten der Fall ist. Da im Fall nicht klar war, ob der strittige Pressespiegel sich in diesen Grenzen hielt, verwies der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Klärung an die Vorinstanz zurück.

Im Fall hatte die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) mit einem Frankfurter Unternehmen einen Vertrag geschlossen, nach dem das Unternehmen für die Herstellung und Verbreitung eines elektronischen Pressespiegels durch E-Mail Urheberrechtsabgaben an die VG Wort zahlen sollte. Die Vertragsparteien gingen dabei davon aus, dass die geplante Verwendung von Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitten für den Pressespiegel nach § 49 UrhG gesetzlich erlaubt, aber vergütungspflichtig sei. Die VG Wort wurde daraufhin von einem Berliner Zeitungsverlag auf Unterlassung verklagt. Das Unternehmen stellte sich auf den Standpunkt, die Verwertungsgesellschaft habe durch den Vertragsabschluss Nutzungsrechte verletzt, die sich der Verlag von seinen Mitarbeitern habe einräumen lassen. Die Ausnahmeregelung des § 49 UrhG gelte nur für herkömmliche, nicht aber für elektronische Pressespiegel. Die entsprechenden Nutzungsrechte seien deshalb bei den Urhebern verblieben.

Der BGH schloss sich nun ausdrücklich der Auffassung der VG Wort an, dass das sogenannte "Pressespiegelprivileg" grundsätzlich auch auf elektronische Pressespiegel anwendbar sei. Die Richter meinten, elektronische Pressespiegel unterschieden sich nicht grundsätzlich von solchen, die auf herkömmlichem Weg in Papierform vertrieben würden. Auch bei der Erstellung herkömmlicher Pressespiegel kämen mittlerweile häufig Scanner zum Einsatz, durch die die verwendeten Textausschnitte elektronisch eingelesen und verarbeitet würden. Die Gefahr eines Missbrauchs der Ausnahmeregelung, beispielsweise durch den Aufbau eines elektronischen Pressearchivs durch Nutzer des Pressedienstes, bestehe unabhängig davon, in welcher Form der Pressespiegel vertrieben werde. Bei elektronischen Pressespiegeln könne einem Missbrauch beispielsweise dadurch vorgebeugt werden, dass die verwendeten Texte nur als Grafik versendet würden.

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