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28.06.2001; 20:41 Uhr
Bundestag bringt neues Urhebervertragsrecht auf den Weg
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - heftige Kritik von Union und Verbänden

Der Bundestag hat das neue Urhebervertragsrecht auf den Weg gebracht. Die Abgeordneten berieten am 28.6.2001 in erster Lesung über den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern, den die Bundesregierung am 30.5.2001 in Berlin beschlossen hatte (Bundestags-Drucksache 14/6344). Der Bundesrat wird am 13.7.2001 über den Gesetzentwurf diskutieren. Wichtigster Bestandteil des Gesetzesvorschlags, der am 1.6.2001 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden war, ist die Einführung umfangreicher Vergütungs- und Auskunftsansprüche zu Gunsten der Urheber. Die Bundesregierung will durch das neue Urhebervertragsrecht vor allem die Rechte von Autoren, Journalisten, Übersetzern und Fotografen stärken und verhindern, dass die wirtschaftliche Übermacht der Verwertungswirtschaft nicht einseitig zu ihren Lasten geht. Während Gewerkschaften und Journalistenverbände die geplanten Neuregelungen begrüßten, wurden sie von Verlegern und privaten Rundfunkveranstaltern bereits im Vorfeld heftig kritisiert.

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) musste sich in der streckenweise recht emotional geführten Bundestagsdebatte heftige Vorwürfe der Opposition gefallen lassen. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kritisierte der Abgeordnete Norbert Röttgen (CDU), der Gesetzesentwurf werde "viel mehr Probleme schaffen als er lösen könne". Im Urhebervertragsrecht bestehe nur punktueller Handlungsbedarf, der Regierungsvorschlag führe zu völliger Überregulierung. Durch die vorgelegten Regelungen zögen sich wie ein roter Faden Einschränkungen der Vertragsfreiheit. Röttgen nannte den Gesetzesentwurf verfassungsrechtlich hochproblematisch, seine Instrumente altmodisch und seine Folgen für die Verwertungswirtschaft existenzbedrohend. Das gelte gerade für kleine und mittlere Betriebe, für die die vorgeschlagenen Neuregelungen zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würden. Für die FDP-Bundestagsfraktion meinte der Abgeordnete Rainer Funke, der Regierungsentwurf habe wenigstens dem sogenannten Professorentwurf "die wesentlichen Giftzähne gezogen". Wegen der Schwierigkeit und Vielschichtigkeit der Materie bestehe aber noch einiger Beratungsbedarf. Vertreter der PDS bezeichneten den Entwurf als "grundsätzlich gelungen".

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) nahm die Beratung im Bundestag zum Anlass, seine Einwände gegen die Reformpläne zu erneuern. Der Verband appellierte an alle Abgeordneten, den Gesetzesentwurf in der vorliegenden Fassung nicht zu verabschieden. Wer den Gesetzesplänen von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin zustimme, öffne "einer geistigen Verarmung der Medien und Kulturszene in Deutschland Tür und Tor", warnte ein Sprecher des BDZV. Verlage würden sich in Zukunft genau überlegen, ob sie überhaupt noch Beiträge von freien Mitarbeitern annehmen würden. Der Gesetzentwurf stelle in unverantwortlicher Weise die Vertragsfreiheit in Frage. In Zukünft könne jeder Autor, der mit seinem Vertrag nicht zufrieden sei, diesen später mit Hilfe der Gerichte nachbessern lassen, warnte der Verband. Sogar für jahrelang zurückliegende Verträge könnten noch Nachforderungen gestellt werden. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit könne weder den Verlagen noch anderen Unternehmen der Verwertungswirtschaft zugemutet werden. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen, von Urhebern und Verwertern gemeinsam aufzustellenden Vergütungsregeln nannten die Zeitungsverleger "kompliziert und praxisfern". Die Qualität einer Arbeit und damit die Angemessenheit eines Preises lasse sich im journalistischen Bereich nicht allgemeingültig nach der Zeilenanzahl oder Sendeminuten messen.

Heftige Kritik am Gesetzgebungsverfahren äußerten die privaten Rundfunksender. Der Verband Privater Rundfunk und Kommunikation (VPRT) zeigte "großes Unverständnis" darüber, dass der Gesetzentwurf bereits jetzt im Bundestag beraten werde. Der Präsident des VPRT, Jürgen Dötz, beklagte, das "Hauruck-Verfahren" der Bundesregierung sei empörend und missachte die Spielregeln, die in einer Demokratie gelten sollten. Die Bundesjustizministerin habe den Verbänden der Medienwirtschaft noch wenige Tage vor der Beratung im Bundestag eine ausführliche Diskussion angeboten. Nun versuche man, sogar noch vor den ersten Beratungen des Bundesrats über den Gesetzentwuf die Weichen für ein neues Urhebervertragsrecht zu stellen. Dötz warnte, die geplanten Neuregelungen würden schwerwiegende Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben. Der gesetzliche Anspruch auf angemessene Vergütung, den der Regierungsentwurf vorsehe, liefere die deutschen Rundfunkanbieter der amerikanischen Filmindustrie aus. Nach US-amerikanischem Urheberrecht seien nämlich die dortigen Filmstudios Inhaber der Urheberrechte.

Nach dem Gesetzesvorschlag können Urheber von jedem, der berechtigterweise ihre Werke nutzt, eine nach Art und Umfang der Werknutzung "angemessene Vergütung" und die zu ihrer Geltendmachung erforderlichen Auskünfte verlangen. Die Höhe der Vergütung regelt der Gesetzentwurf nicht. Die Angemessenheit eines Nutzungsentgelts soll nach dem Entwurf aber vermutet werden, wenn das Entgelt in einem Tarifvertrag oder in "gemeinsamen Vergütungsregeln" festgelegt ist. Aufgestellt werden sollen diese gemeinsamen Vergütungsregeln von Urheber- und Werknutzervereinigungen, die "repräsentativ, unabhängig und zur Aufstellung ermächtigt" sein sollen. Im Streitfall soll über die Regeln ein Schiedsgericht entscheiden, gegen dessen Beschluss den Beteiligten die Klage zu den ordentliche Gerichten offenstehen soll. Verjähren sollen die gesetzlichen Vergütungsansprüche drei Jahre nach Kenntnis des Urhebers von ihrem Entstehen, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zehn Jahren nach diesem Zeitpunkt.

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