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19.04.2015; 19:57 Uhr
BGH entscheidet zur Frage der Zulässigkeit elektronischer Leseplätze in Bibliotheken
Ausdrucken und Abspeichern von an elektronischen Leseplätzen bereitgestellten Werken ist zulässig

Bibliotheken dürfen ihren Nutzern Lehrbücher, die sie vorher digitalisiert haben, auch ohne die Einwilligung des Rechtsinhabers an elektronischen Leseplätzen zugänglich machen. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) einer eigenen Pressemitteilung zufolge durch Urteil vom 16. April 2015 (Az.: I ZR 69/11 - Veröffentlichung in der ZUM folgt). Anders als die Vorinstanz sehen die karlsruher Richter außerdem das Ausdrucken und Abspeichern dieser derartig bereitgestellten Werke als zulässig an. 

Im Fall geht es um den Rechtsstreit zwischen einem Lehrbuchverlag und der Technischen Universität Darmstadt (TU Darmstadt), die ihren Studenten an elektronischen Leseplätzen erlaubt, die in ihrer Bibliothek befindlichen Bücher ganz oder zum Teil auszudrucken oder auf USB-Sticks zu ziehen. Auf das verlagsseitige Angebot der Nutzung eines entsprechenden E-Books war die Universität nicht eingegangen. 

Nach Ansicht des Verlags ist die Ermöglichung von Kopien an elektronischen Leseplätzen von der Schrankenregelung des § 52 b UrhG nicht gedeckt. Der Verlag hatte die Universität vor dem Landgericht Frankfurt am Main (LG Frankfurt) unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen. Nach § 52 b UrhG ist es zulässig, veröffentlichte Werke aus dem Bestand öffentlich zugänglicher Bibliotheken, die keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgen, ausschließlich in den Räumen der jeweiligen Einrichtung an eigens dafür eingerichteten elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien zugänglich zu machen, soweit dem keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen. Das Landgericht hatte in dem Vertragsangebot des Lehrbuchverlags keine vertragliche Regelung im Sinne des § 52 b UrhG gesehen, die der Inanspruchnahme der Schrankenregelung entgegenstehen könnte. Es handele sich lediglich um ein bloßes Vertragsangebot des Rechtsinhabers und keine geltende Regelung. Allerdings erklärten die Richter die Ausdruck- sowie die Speichermöglichkeit für unzulässig (ZUM 2011, 582 - Volltext bei Beck Online).

Der BGH hatte am 19. Oktober 2011 den Antrag auf Sprungrevision der Universität gegen das Urteil des LG Frankfurt zugelassen, da der Rechtsstreit »grundsätzliche Rechtsfragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n« der Info-Richtlinie und des auf ihr basierenden § 52 b UrhG aufwerfe (vgl. die Meldung vom 23.11.2011). Das Verfahren hatte der BGH mit Beschluss vom 20. Oktober 2011 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH) zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Info-Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt (vgl. Meldung vom 23. September 2012). Der EUGH hat hierüber durch Urteil vom 11. September 2014 entschieden (ZUM 2014, 883 - Volltext bei Beck Online).

Mit seiner Entscheidung vom 16. April 2015 hat der BGH die Klage des Lehrbuchverlags nun insgesamt abgewiesen. Wie das LG Frankfurt hat der BGH das Angebot des Verlags, ein entsprechendes E-Book zu nutzen, nicht als »vertragliche Regelung« angesehen, die nach § 52 b UrhG einer Nutzung im Rahmen der Schrankenregelung entgegensteht. Dies seien allein Regelungen in bestehenden Verträgen und keine bloßen Vertragsangebote. 
Auch sei die Digitalisierung des Bibliothekbestandes zulässig, wenn dies erforderlich sei, um die Bücher an elektronischen Leseplätzen der Bibliothek zugänglich zu machen. Die Berechtigung folge aus einer entsprechenden Anwendung des § 52 a Abs. 3 UrhG. Die entsprechende Anwendung dieser Regelung sei geboten, weil das Recht zur Wiedergabe von Werken an elektronischen Lesplätzen einen großen Teil seines sachlichen Gehalts und sogar seiner praktischen Wirksamkeit verlieren würde, wenn die Bibliotheken kein akzessorisches Recht zur Digitalisierung der betroffenen Werke besäßen. 
Anders als die Vorinstanz sieht der BGH es als zulässig an, dass die Bibliothek es ihren Nutzern ermöglicht hat, das an elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachte Werk auszudrucken oder auf USB-Sticks abzuspeichern. § 52 b UrhG sei im Blick auf Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG nicht dahingehend einschränken auszulegen, dass Werke an elektronischen Leseplätzen nur in der Weise zugänglich gemacht werden dürfen, dass sie von Nutzern dort nur gelesen und nicht auch ausgedruckt oder abgespeichert werden können. Die Beklagte hafte auch nicht für unbefugte Vervielfältigungen des Werkes durch Nutzer der elektronischen Leseplätze. Die Vorinstanz habe nicht festgestellt, dass es zu unberechtigten Vervielfältigungen durch Nutzer der Leseplätze gekommen sei. Hiervon könne auch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Ein Ausdrucken oder Abspeichern von an elektronischen Leseplätzen bereitgestellten Werken könne in vielen Fällen als Vervielfältigung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch nach § 53 UrhG zulässig sein. 
Mit der Frage der Vervielfältigung per Ausdruck und Speicherung auf USB-Stick/andere Speichermedien befassten sich das LG Frankfurt am Main (ZUM 2009, 662 - Volltext bei Beck Online, vgl. Meldung vom 18. Mai 2009) und das Oberlandesgericht Frankfurt (ZUM 2010, 265 - Volltext bei Beck Online, vgl. Meldung vom 2. Dezember 2009) bereits. In dem Verfahren standen sich dieselben Parteien gegenüber. Das LG Frankfurt sah in diesem Verfahren noch die Möglichkeit des Ausdrucks wegen einer Vergleichbarkeit mit der analogen Nutzung als zulässig an, lehnte jedoch die Speicherung auf digitalen Meiden ab. Das OLG kam dann zu dem Ergebnis,  dass elektronische Leseplätze nur zum Lesen das sein. Jegliche Vervielfältigungsmöglichkeit sei nicht mehr von § 52 b UrhG erfasst. 

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