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13.03.2012; 12:22 Uhr
»Das Boot«: BGH entscheidet zum eigenständigen Anspruch auf angemessene Beteiligung des Miturhebers
§ 32 a UrhG: Auch vor dem 28. März 2002 erzielte Erträge zu berücksichtigen

Seit 2008 führt der Kameramann Jost Vacano einen Rechtsstreit gegen die Produktionsfirma Bavaria Film, deren Tochter Euro-Video GmbH sowie gegen den Westdeutschen Rundfunk (WDR). Im Wege der Stufenklage verlangt er, dass seine Verträge aus den Jahren 1980/1981 mit einer nachträglichen Umsatzbeteiligung an den Welterfolg von »Das Boot« angepasst werden. Er macht eine Nachvergütung geltend, da die ihm als Chef-Kameramann der Produktion »Das Boot« eingeräumte Pauschalvergütung in auffälligem Missverhältnis i.S.d. § 32 a UrhG (»Fairnessausgleich«) zu den Vorteilen stünde, welche die Beklagten durch den Film erlangt hätten. Nach dem LG München I und dem OLG München (vgl. unten in den Dokumenten) hatte sich nun der BGH mit der Aktivlegitimation des Klägers als Miturheber, der Auskunftspflichtigkeit der Beklagten und insbesondere dem Umfang der Auskunftserteilung zu befassen. Das OLG München hatte dem Kläger die in der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsansprüche für die Zeit nach dem 28. März 2002 zugesprochen, da aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte dafür bestünden, dass dem Kläger ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung zustehe. Für die Zeit bis zum 28. März 2002 verneinte das OLG München hingegen die Auskunftsansprüche, denn die Übergangsvorschrift des § 132 Abs. 3 Satz 2 UrhG für Altverträge erlaube nur die Berücksichtigung von Erträgen und Vorteilen, die dem Verwerter nach dem Stichtag des 28. März 2002 zugeflossen seien.

In dem heute veröffentlichten Urteil (Urteil vom 22. September 2011, Az.: I ZR 127/10; Veröffentlichung in ZUM bzw. ZUM-RD folgt) stellte der BGH einleitend fest, der Urheber könne grundsätzlich Auskunft verlangen, wenn aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte für einen Anspruch aus § 32 a UrhG bestehen. Der Kläger sei als Chef-Kameramann Miturheber des Filmwerks »Das Boot« und damit berechtigt, Auskunftserteilung allein und an sich selbst zu verlangen. Die Bestimmungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 UrhG stünden dem nicht entgegen. Auf die Revision der Beklagten entschied der BGH, dass die Annahme des Berufungsgerichts, es lägen greifbare Anhaltspunkte für ein auffälliges Missverhältnis i.S.d. § 32 a UrhG vor, auf unzureichenden Feststellungen beruhen. Die Verurteilung zur Auskunftserteilung für die Zeit nach dem 28. März 2002 könne daher nicht aufrechterhalten bleiben. Das OLG München habe erneut zu prüfen, ob aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Klägers zu den Beklagten ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Vergütung des Klägers und den jeweiligen Erträgen und Vorteilen der Beklagten bestehe. 

Auf die Revision des Klägers entschied der BGH, dass entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch ein Auskunftsanspruch für die Zeit vor dem 28. März 2002 bestehen kann. Für die Prüfung des auffälligen Missverhältnisses nach § 32 a UrhG seien sämtliche vor dem 28. März 2002 angefallenen Erträgnisse zu berücksichtigen. Entscheidend für dieses Ergebnis sei die Auslegung des unklaren Begriffs »Sachverhalt« in § 132 Abs. 3 Satz 2 UrhG. Das Berufungsgericht verstehe darunter »sowohl das in § 32 a UrhG genannte auffällige Missverhältnis als auch die tatsächlichen Umstände, die zu diesem Missverhältnis führen«. Nach Ansicht des Senats sind mit diesem Begriff jedoch »Verwertungshandlungen« gemeint. § 132 Abs. 3 Satz 2 UrhG besage danach lediglich, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 a UrhG eine weitere angemessene Beteiligung allein an Erträgen und Vorteilen aus »Verwertungshandlungen« geschuldet sei, die nach dem 28. März 2002 vorgenommen wurden. Für den Anspruch aus § 32 a UrhG komme es dagegen nach § 132 a Abs. 3 Satz 2 UrhG nicht darauf an, ob das auffällige Missverhältnis i.S.d. § 32 a UrhG erst nach dem 28. März 2002 entstanden sei oder ob es bereits bestanden und nach dem 28. März 2002 fortbestanden habe. 

Der BGH hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 

Dokumente:

  • Urteile des OLG München (17. Juni 2010, Az. 29 U 3312/09, ZUM 2010, 808) und des LG München I (7. Mai 2009, Az. 7 O 17694/08, ZUM 2009, 794) (jeweils »Das Boot«); 
  • Urteile des OLG München (10. Februar 2011, Az. 29 U 2749/10, ZUM 2011, 422) und des LG München I (24. März 2010, Az. 21 O 11590/09, ZUM 2010, 733) (jeweils »Tatort-Vorspann«) sowie Anmerkung von Christoph Schmelz zu OLG München 29 U 2749/10, ZUM 2011, 429 (Volltexte bei Beck Online)

Institutionen:

[IUM/ct]

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