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04.12.2012; 20:03 Uhr
BGH entscheidet zur Frage der Strafbarkeit des Imports von Nachbauten in Deutschland urheberrechtlich geschützter Werke nach Deutschland
Bei der Auslegung des Verbreitungsbegriffs des § 106 UrhG wie des § 17 UrhG kommt es auf die Erlangung der tatsächlichen Gewalt an

Bei einem grenzüberschreitenden Verkauf liegt ein Verbreiten in Deutschland gemäß § 17 UrhG dann vor, wenn ein (hier: italienischer) Händler, seine Werbung auf in Deutschland ansässige Kunden ausrichet und diese durch ein spezifisches Lieferungssystem in die Lage versetzt, die Verfügungsgewalt über Vervielfältigungen von in Deutschland urheberrechtlich geschützten Werken erst in Deutschland zu erlangen. Zu diesem Schluss kam der BGH in einem Urteil vom 11. Oktober 2012 (Az.: 1 StR 213/10 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt) und bestätigte damit die Vorinstanz. Das LG München II hatte einen deutschen Spediteur wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke gem. §§ 106, 108 a UrhG, 27 StGB in 485 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Der Angeklagte, ein deutscher Staatsangehöriger, hatte in Italien hergestellte Nachbauten von Einrichtungsgegenständen im »Bauhaus-Stil«, die u. a. über das Internet in Deutschland ansässigen Kunden angeboten wurden, als Spediteur an die Kunden ausgeliefert und abgerechnet. Die betreffenden Werke waren im entscheidungserheblichen Zeitraum in Deutschland, nicht aber in Italien urheberrechtlich geschützt. Der italienische Hersteller verfügte nicht über eine Lizenz für den Vertrieb in Deutschland. Der Eigentumsübergang an den Gegenständen erfolgte in Italien, die tatsächliche Verfügungsgewalt erlangten die Kunden erst mit der Übergabe in Deutschland. Das LG München II ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Verbreitung im urheberrechtlichen Sinn erst in Deutschland erfolgte, wo die Nachbildungen mangels Zustimmung der Inhaber des Urheberrechts verboten war. 

Nach Ansicht des BGH hat das LG München II den Verbreitungsbegriff des § 17 UrhG wegen der Urheberrechtsakzessorietät der einschlägigen Strafvorschriften zu Recht zugrundegelegt. § 17 Abs. 1 UrhG diene der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG. Der in der Richtlinie verwandte Begriff der Verbreitung müsse autonom ausgelegt werden, wobei die Auslegung nicht von dem Recht abhängen könne, das auf die Geschäfte anwendbar sei, in deren Rahmen eine Verbreitung erfolge und über das die Parteien verfügen könnten. Hierbei beruft sich der BGH auf Ausführungen des EuGH, die dieser in dem Vorlageverfahren zur Frage der Vereinbarkeit der Anwendung der deutschen Strafvorschriften mit der unionsrechtlich garantierten Warenverkehrsfreiheit im vorliegenden Fall getroffen hat. Aufgrund eines Beschlusses vom 8. Dezember 2010 hatte der BGH dem EuGH die Frage gem. Art. 267 Abs. 1 lit. a, Abs. 3 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Hierauf hat der EuGH durch Urteil vom 21. Juni 2012  (Az.: C-5/11, ZUM-RD 2012, 437 - Volltext bei Beck Online) entschieden, dass das in Deutschland gem. §§ 106, 108a UrhG strafrechtlich sanktionierte Verbot der Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke zwar eine Behinderung des in Art. 34 und 36 AEUV garantierten freien Warenverkehrs darstelle, diese Beschränkung jedoch zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sei (vgl. Meldung vom 21. Juni 2012). Demnach ist es einem Mitgliedstaat (hier: Deutschland) nicht verboten, einen Spediteur wegen Beihilfe zur unerlaubten Verbreitung von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke strafrechtlich zu verfolgen, auch wenn die Werke im Mitgliedstaat des Verkäufers (hier: Italien) keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.

Institutionen:

[IUM/kr]

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