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30.04.2014; 10:34 Uhr
EGMR: Neue Entscheidung zu den Grenzen des Spekulationsjournalismus
Auch Anspielungen können die Unschuldsvermutung verletzen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat gestern entschieden, dass Anspielungen in einer Schlagzeile eines Presseartikels trotz Formulierung als Frage eine Rufschädigung darstellen können (Appl. no. 23605/09). 

In dem Fall ging es wie »Lehofer« in seinem Blog beschreibt um eine finnische Journalistin, die über einen Mordfall berichtete. Das Mordopfer habe im Verdacht gestanden, zwei Jahre zuvor Geldsäcke von Estland nach Finnland geschmuggelt zu haben, von denen angenommen wurde, dass sie einem bekannten finnischen Unternehmer (»K.U.«) gehörten. Im Zeitungsartikel seien alle Fakten richtig dargestellt worden. Auf der Titelseite der Zeitung habe sich ein Foto des Unternehmers befunden. Die Schlagzeile lautete: »Cruel killing in Vantaa: The executed man had connections with K.U.?« Im Artikel selbst habe es geheißen, dass das Mordopfer Verbindungen zu K.U. gehabt haben »könnte«. 

Die nationalen Gerichte haben die Journalistin zu einer Geldstrafe von insgesamt 720 Euro sowie zu einer Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro und zur Tragung der Kosten von K.U. verurteilt. Der EGMR sieht den durch die Verurteilung der Journalistin bestehenden unstreitigen Eingriff in ihr Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK als gerechtfertig an und begründet dies mit Schlagzeile und Aufmachung des Artikels. Trotz Formulierung als Frage hätte die Journalistin es als wahrscheinlich ansehen müssen, dass die Schlagzeile eine falsche Andeutung enthielt, welche zu einem Nachteil für K.U. führen könnte, so der EGMR. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK könne auch im Kontext des Art. 10 EMRK von Bedeutung sein, auch wenn keine klaren Schuldbehauptungen aufgestellt werden. Nach umfänglicher Abwägung der betroffenen Interessen und unter Heranziehung seiner bisherigen Rechtsprechung kam der EGMR zu dem Schluss, dass in der Verurteilung der Journalistin keine Verletzung des Art. 10 EMRK liege.

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