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01.12.2011; 15:50 Uhr
»FRITZ!Box« gegen »Surfsitter«: LG Berlin lehnt urheberrechtliche Ansprüche wegen Modifikation der Firmware ab
Veränderungen von unter der GPL stehenden Software eines DSL-Routers sind urheberrechtlich zulässig

Wie das Institut für Rechtsfragen in der Freien und Open-Source-Software berichtet, hat das LG Berlin im Rechtsstreit über die Zulässigkeit von Änderungen an der Open-Source-Firmware eines DSL-Routers entschieden (Urteil vom 8. November 2011, Az.: 16 O 255/10, Veröffentlichung in ZUM bzw. ZUM-RD folgt). Danach bestehen keine urheberrechtlichen Unterlassungsansprüche wegen der Modifikation einer den Bedingungen der GNU General Public License (GPL) unterliegenden Open-Source-Software. Bei der Nutzung von GPL-Software steht die freie Weiterentwicklung der Software im Vordergrund und es besteht kein Urheberrechtsschutz. Bereits das Kammergericht hatte urheberrechtliche Ansprüche der Klägerin abgelehnt (Urteil vom 6. September 2010, Az.: 24 U 71/10; vgl. ausführlich zu dem Rechtsstreit Meldung vom 22. Juni 2011 und zur Diskussion über die Konsequenzen von Verstößen gegen GPL-Bedingungen Meldung vom 16. August 2011).

Nach Ansicht des Kammergerichts hatte die Klägerin, Herstellerin des DSL-Routers »FRITZ!Box« bereits nicht ausreichend dargelegt, warum die Software der »FRITZ!Box« überhaupt urheberrechtlich geschützt sein soll. Das LG Berlin bejahte zwar anders als das Kammergericht einen Urheberrechtsschutz der »FRITZ!Box«-Firmware als Sammelwerk, § 4 Abs. 1 UrhG. Als Begründung zieht das LG Berlin den Maßstab der »Kleinen Münze« heran. Die Firmware bestehe aus zahlreichen einzelnen Dateien, die die Grundlage der einzelnen Funktionen der Firmware bilden. Nach Ansicht des LG Berlin ist die Auswahl und Anordnung dieser einzelnen Elemente ausreichend, um als Minimum der Gestaltungshöhe im Sinne der »Kleinen Münze«  Urheberrechtsschutz zu genießen.

Das LG Berlin stellte aber fest, dass ein Teil des Sammelwerks, der so genannte »Kernel«, der auf dem Linux-Betriebssystem basiert, als Open-Source-Software den Bestimmungen der GNU General Public License (GPL), Version 2, unterliegt. Die GPL ist eine von der Free Software Foundation (FSF) veröffentlichte Freie-Software-Lizenz für die Lizenzierung von freier Software, die ihren Ursprung im GPL-Projekt hat. Die in § 3 GPL enthaltene »Copyleft«-Klausel besagt, dass auch bei kommerzieller Inanspruchnahme von Open-Source-Software-Bestandteilen und einfacher Nutzungsrechte Umgestaltungen und Bearbeitungen ebenfalls der GPL zu unterstellen sind, also frei sein müssen. So soll eine freie Weiterentwicklung von Software gewährleistet werden. Hiergegen verstieß die Klägerin, indem sie Dritten verboten hat, ein funktional abweichendes Programm für den von ihr hergestellten Router zu vertreiben. Sammelwerke, die Open-Source-Software enthalten, unterliegen nach § 2 GPL als Ganzes den Bedingungen der GPL. So kam das LG Berlin zu dem Schluss, dass der Klägerin an der »FRITZ!Box«-Firmware als Ganzes keine urheberrechtlichen Ansprüche zustehen.

Hinsichtlich des ebenfalls geltend gemachten Wettbewerbsverstoßes folgte das LG Berlin den Ausführungen der Klägerin. Schon das Kammergericht sah einen Wettbewerbsverstoß in dem Umstand, dass nach der Installation des »Surfsitter« auf der Konfigurationsoberfläche der »FRITZ!Box« das Nichtbestehen einer Internetverbindung angezeigt wird, obwohl diese nicht mehr über »FRITZ!Box«, aber über »Surfsitter« besteht. Dies beeinträchtige spürbar die geschäftliche Handlung der Antragsstellerin im Sinne einer rufschädigenden Entwertung ihres Produkts, da die Nutzer diese Fehlfunktionen als Mängel der »FRITZ!Box« auffassen würden. Dieser Argumentation folgte das LG Berlin und hat der Klägerin einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, § 3 UWG zugesprochen.

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