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27.01.2011; 11:16 Uhr
EU-Kommission mahnt Ungarn zu Änderungen des Mediengesetzes an
Verstöße gegen AVMD-Richtlinie, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Informations-, Meinungsfreiheit und Grundfreiheiten

Ungarn will sich nach Berichten von »euractiv.de« auf seine Ratspräsidentschaft konzentrieren und daher den Änderungsvorschlägen der EU-Kommission zum Mediengesetz nachkommen. Die EU-Kommission hat die Überprüfung des ungarischen Mediengesetzes abgeschlossen (vgl. Meldung vom 10. Januar 2011). Ihre Vizepräsidentin Neelie Kroes hat sich daraufhin am 21. Januar an den ungarischen Justizminister Tibor Navracsics gewandt und darauf hingewiesen, dass sie das Erfordernis einer »ausgeglichenen Berichterstattung« im ungarischen Mediengesetz für unvereinbar mit den Bestimmungen der AVMD-Richtlinie, der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 und 56 AEUV, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Recht auf Informationsfreiheit und freie Meinungsäußerung (Art. 11 EU-Charta) hält.

Art. 4 Abs. 1 AVMD-Richtlinie sehe vor, dass Mitgliedstaaten, die striktere Regeln implementieren, als die in der Richtlinie vorgesehenen, sich dabei EU-rechtskonform verhalten müssen. Das ungarische Mediengesetz sehe eine strengere Regelung der Gegendarstellung (Art. 28 AVMD-Richtlinie) vor. Die Anwendbarkeit des Erfordernisses einer »ausgewogenen Berichterstattung« gehe, indem sie u.a. auch Video-on-demand Dienste und Blogs erfasse, zu weit und sei daher unverhältnismäßig. Es sei zudem zu befürchten, dass die weitgehende Verpflichtung der »ausgewogenen Berichterstattung« negative Auswirkungen auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit hat, weil sie Mediendienste aus anderen Mitgliedstaaten abschreckt. Vor dem Hintergrund der beiden Grundfreiheiten gehe das Registrierungserfordernis, welches nicht nur Rundfunksender, sondern alle audiovisuellen Mediendienste erfasst, ebenfalls zu weit.

Das ungarische Gesetz verstoße des Weiteren gegen das Herkunftslandprinzip, indem es striktere Einschränkungen des freien Empfangs und der Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten vorsieht (die Einschränkungen gehen über Art. 3 AVDM-Richtlinie hinaus). Denn damit würden Dienste, die im Mitgliedstaat ihrer Herkunft abgesegnet worden sind, in Ungarn unterbunden. Wieder sieht die Kommission in der weitreichenden Beschränkung auch einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Ungarische Diplomaten weisen nach Angaben von »euractiv.de« darauf hin, dass Ungarn gravierende Probleme mit ultrarechten Publikationen im Internet habe. Außerdem würde die Pressefreiheit ausgenutzt, um beispielsweise die Judikative zu gefährden: Urteile würden mit Name, Anschrift und Telefon des jeweiligen Richters publiziert.

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