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25.11.2015; 18:28 Uhr
Bundesverfassungsgericht verhandelt über Tonträger-Sampling
Die Frage ist schon, ob bereits die Nutzung einer kleinen Tonsequenz zum Verbot solcher Songs führen dürfe, inklusive Schadensersatzforderungen.

Wie die »Süddeutsche Zeitung« am 25. November 2015 mitteilt, hat sich der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am selben Tag in einer mündlichen Verhandlung mit dem Tonträger-Sampling beschäftigt. Im Fall hatten die Mitglieder der Musikgruppe »Kraftwerk« die Komponisten des von Sabrina Setlur gesungenen Stücks »Nur mir« sowie den Tonträgerhersteller wegen der Verwendung einer 2-sekündigen Rhythmussequenz aus ihrem Song »Metall auf Metall« verklagt. Die Kläger sahen sich in ihren Rechten als Tonträgerhersteller verletzt, da die Beklagten die Sequenz elektronisch kopiert (»gesampelt«) und dem Titel »Nur mir« in fortlaufender Wiederholung unterlegt hätten, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene Rhythmussequenz selbst einzuspielen. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung in Anspruch genommen und in allen Instanzen des Zivilrechtswegs Recht bekommen (vgl. hierzu die Meldung vom 14. Dezember 2012). Die Beschwerdeführer wenden sich nun gegen die zivilgerichtlichen Urteile. 

Den Angaben der »Süddeutsche Zeitung« zufolge schilderte Ralf Hütter, Gründungsmitglied der Band »Kraftwerk« den Richtern des BVerfGs, wie schwierig in den Siebzigern die Produktion des Titels »Metall auf Metall« war. Man habe mit Tonbändern gearbeitet und das Geld in neuartige Sequenzer gesteckt, um am Ende diesen metallischen, tranceartigen Beat herzustellen. Moses Pelham, der Produzent des Songs »Nur mir«, sagte, er habe es für sein Recht gehalten, die zweisekündige Sequenz zu nutzen. Ohne Sampling sei Hip Hop nicht mehr möglich.

Die »Süddeutsche Zeitung« wertet den Umstand, dass das BVerfG dem Fall eine mündliche Verhandlung gewidmet hat, als Indiz dafür, dass die Richter Reformbedarf sehen. Die Frage sei schon, ob bereits die Nutzung einer kleinen Tonsequenz zum Verbot solcher Songs führen dürfe, inklusive Schadensersatzforderungen, so Vizepräsident Ferdinand Kirchhof.

Der BGH hatte eine erlaubte freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG analog verneint (Urteil vom 13. Dezember 2012, ZUM 2013, 484 - abrufbar bei Beck Online). Voraussetzung hierfür sei, dass die betreffende Sequenz nicht in gleichwertiger Art und Weise nachgespielt werden könne. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 17. August 2011 (ZUM 2011 748 mit Anmerkung von Dr. Simon Apel ZUM 2011, 755 - abrufbar bei Beck Online) ist dies im Fall aber möglich gewesen, so dass sich die Beschwerdeführer nicht auf das Recht auf freie Benutzung berufen konnten.

Wie das BVerfG in einer Pressemitteilung vom 28. Oktober 2015 berichtet, machen die Beschwerdeführer vor allem eine Verletzung ihres Grundrechts auf Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geltend. Die Annahme eines urheberrechtlichen Eingriffs in das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers bereits bei der Entnahme kleinster Ausschnitte aus einer fremden Tonspur verletze schon für sich genommen die Kunstfreiheit. Jedenfalls nicht selbstständig auswertbare Teile eines Tonträgers könnten nicht dem Schutz des § 85 UrhG unterfallen. Weiter bewirke das Sampling nur einen geringfügigen Eingriff in die Tonträgerherstellerrechte ohne die Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile, weshalb das Interesse des Tonträgerherstellers am Schutz seines geistigen Eigentums gegenüber der künstlerischen Entfaltungsfreiheit zurücktreten müsse.

Hinsichtlich des Kriteriums für das Recht auf freie Benutzung (also eine fehlende gleichwertige Nachspielbarkeit) und dessen Anwendung im konkreten Fall machen die Beschwerdeführer geltend, dass es nicht dem Gebot der Bestimmtheit genüge. Musikschaffenden werde es unmöglich, sich mit Tonaufnahmen der Vergangenheit musikalisch auseinanderzusetzen, die die heutige Popmusik, insbesondere die elektronische Musik, maßgeblich prägten. Darüber hinaus mache es keinen Sinn zu verlangen, dass der Ausschnitt selbst hergestellt werde, da durch die Bezugnahme auf das gesampelte Werk gerade der Originalkontext gesucht werde.

 

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