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09.11.2007; 18:37 Uhr
»Esra«, »Contergan« und »Caroline von Hannover«
Veranstaltung des IUM zu Persönlichkeitsrechten in den Medien und neuen Entwicklungen in der Rechtsprechung

Den »Persönlichkeitsrechten in den Medien« widmete sich die diesjährige Veranstaltung des Instituts für Urheber- und Medienrecht (IUM) am 9.11.2007 im Rahmen der Medientage München 2007. Um diesem umfassenden Thema gerecht werden zu können, fokussierten nach einer Einführung von Professor Manfred Rehbinder, Direktor des IUM, die fünf Referenten auf die Bereiche Presse, Buch, Film & Fernsehen, dem Spezialbereich digitaler Online-Archive sowie abschließend auf die Betroffenensicht.

Für den Pressebereich ging Rechtsanwalt Stefan Söder aus München zunächst auf die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein, insbesondere der jüngsten Caroline-von-Hannover-Entscheidungen des BGH vom 6. März 2007 (vgl. u. a. ZUM 2007, 382; 2007, 470; 2007, 651) sowie der Grönemeyer- und Kahn-Urteile (ZUM-RD 2007, 397; ZUM 2007, 858). Dabei konstatierte er einen Wechsel der Rechtsprechung, die nun bei der Frage der Zulässigkeit einer Berichterstattung regelmäßig nach einem legitimen Informationsinteresse der Öffentlichkeit frage und damit Aspekte der Unterhaltung ausblende. Dies aber stelle zum einen die der Presse dabei bislang zugestandene Prärogative in Frage und ersetze diese durch eine richterliche Niveaukontrolle, die so von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG nach Ansicht von Söder nicht gedeckt werde. Zum anderen werde der bisher weit aufgefasste Schutzbereich der Presse beschränkt, was durchaus eine selbstauferlegte Vorabkontrolle der Journalisten zur Folge haben könne. Schließlich erhöhe diese neue Rechtsprechungstendenz des BGH die Abhängigkeit von den Richtern der einzelnen Gerichte. »Der geschützte Entscheidungsbereich der Presse wird so nur noch zum Lippenbekenntis«, meinte Söder.

Bei der Frage von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Buchveröffentlichungen beschränkte sich Rechtsanwalt Richard Hahn, München, nicht nur auf die aktuelle Esra-Entscheidung des BVerfG (erscheint in der ZUM 2007, 829), sondern bezog auch die vorherige Entwicklung der Rechtsprechung ein. Aus den Fallgruppen für Dokumentationen, Sachbücher und Romane entwarf er ein Ranking unterschiedlich stark »gefährdeter« Buchthematiken, an dessen Spitze er Bücher setzte, die ein Portrait einer Person der Zeitgeschichte oder eines »realen Jedermann« zum Gegenstand haben. Zwar stehe jeder Buchveröffentlichung, die einen Eingriff in die Intimsphäre oder eine grobe Verfälschung, Beleidigung oder Degradierung des Porträtierten beinhalte, ein überwiegendes Interesse des durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht Geschützten entgegen. Gleichwohl habe die Esra-Entscheidung für die Kunstfreiheit durch die neue kunstspezifische Herangehensweise der Karlsruher Richter eine große Bedeutung, da dabei zunächst eine Vermutung für eine Fiktion unterstellt und somit letztlich eine Beweislastumkehr vorgenommen werde. Auch habe niemand den Anspruch darauf, nicht negativ dargestellt zu werden. Soweit, wie in den abweichenden Voten kritisiert, diese kunstspezifische Betrachtung nicht bis in die letzte Konsequenz durchgehalten werde, sei letztlich doch keine Zensur zulasten von Autoren zu erkennen, vielmehr habe sich ihr Handlungsspielraum erweitert.

Dieser Einschätzung schloss sich der Nachredner, Rechtsanwalt Mathias Schwarz aus München, an und vertiefte dies für den Bereich der in zunehmenden Maße produzierten Dokumentarspiele und ähnlicher Formate. Dabei analysierte er ergänzend die jüngsten Entscheidungen des OLG Hamburg zum Contergan-Film (ZUM 2007, 479; 2007, 483) sowie des OLG München zum geplanten Film »Der Baader Meinhof Komplex« (erscheint in der ZUM 12/2007), aus denen er Antworten für eine Vielzahl von persönlichkeitsrechtsrelevanten Fragen entwickelte. Von besonderer Bedeutung sei dabei die bereits angesprochene Vermutung zugunsten der Fiktion, die auch für den Filmbereich gelte und hier den Schwerpunkt der in Rechtsstreitigkeiten diskutierten Probleme weg von Art. 5 Abs. 1 GG und hin zur von Art. 5 Abs. 3 gedeckten Kunstfreiheit verschiebe. Ferner seien die Kriterien zu berücksichtigen, nach denen entschieden werde, wann die §§ 22 ff. KUG zur Anwendung kämen und wann auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückzugreifen sei. Letzteres sei immer dann der Fall, wenn keine konkrete Ähnlichkeit zwischen Ur- und Abbild gegeben sei. Insgesamt sei zu konstatieren, dass zwar eine Grenze zwischen Fiktion und Realem gezogen werde, sich aber die Vermutung der Fiktion so auswirke, dass die Kunstfreiheit sich auf das gesamte Format erstrecke.

Bei den digitalen Online-Archiven hingegen steht vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob die Speicherung einer ehemals zulässigen identifizierenden Wortberichterstattung z. B. über Straftäter zulässig ist. Dem widmete sich Rechtsanwalt Thomas von Petersdorff-Campen, München, und verwies zunächst auf die Lebach I-Entscheidung des BGH: Danach gelte auch hier, dass es immer einer erneuten Berichterstattung mit einer eigenständigen oder zusätzlichen Beeinträchtigung bedürfe, um einen Unterlassungsanspruch wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung begründen zu können. Unter Rekurs auf verschiedene Entscheidungen des letzten Jahres (siehe hierzu u. a. Meldung vom 2.8.2007), setzte er sich mit den verschiedenen dabei aufgeworfenen Rechtsfragen auseinander und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass die bloße Aufrechterhaltung von bereits erfolgter Berichterstattung, wie sie in digitalen Online-Archive die Regel sei, keine Neuveröffentlichung darstelle, da diese sich nicht nochmals an eine Öffentlichkeit richte. Dabei schlug er vor, an den urheberrechtlichen Öffentlichkeitsbegriff des § 15 UrhG anzuknüpfen. Vielmehr verschaffe sich hier der Nutzer regelmäßig die Informationen selbst. Etwas anderes müsse lediglich dann gelten, wenn in einem aktuellen Artikel auf einen archivierten verlinkt werde. Dann werde die Berichterstattung aktualisiert und könne somit den weiteren Prüfungskriterien der Lebach I-Entscheidung unterzogen werden.

Weniger den Detailfragen der verschiedenen, für den Persönlichkeitsrechtsschutz relevanten Bereiche als vielmehr dem allgemeinen Verhältnis zwischen den Medien und den durch die Berichterstattung Betroffenen wandte sich schließlich Rechtsanwalt Dirk Dünnwald aus Hamburg zu. Er betonte die Bedeutung des Zusammenspiels zwischen den Medienvertretern und der Betroffenenseite. Auch sei zu berücksichtigen, dass bereits die Beratung von Betroffenen dabei eine wichtige Rolle spiele, indem dadurch schon vorab im direkten Mandantengespräch zwischen dem möglichen Machbaren und dem, was tatsächlich realisiert werden kann, eine Auslese getroffen werde. Was dann folgte, seien letztlich Einzelfallabwägungen auf einem juristisch hohen Niveau. Einzig bei der Frage der Geldentschädigungen kritisierte er die restriktive Handhabung dieses Instruments und zog angesichts der Zurückhaltung der Gerichte bei der Entschädigungshöhe die Wirksamkeit des damit eigentlich bezweckten Hemm- und Präventiveffekts in Zweifel. »Hier müssen, vor allem bei potenten Unternehmen, andere Exempel statuiert werden«, so Dünnwald.

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Die Vorträge der Referenten und ein Diskussionsbericht erscheinen voraussichtlich in der Februar-Ausgabe 2008 der ZUM
[IUM/hl]

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