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04.10.2011; 20:33 Uhr
EuGH: Territoriale Exklusivität von Übertragungsrechten verstößt gegen Dienstleistungsfreiheit und EU-Wettbewerbsrecht
Proficlubs besorgt - Auswirkungen auf Verbraucher unklar

Der EuGH hat entschieden, dass territoriale Exklusivrechte für die Übertragung von Sportereignissen gegen die Dienstleistungsfreiheit und das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen (Az. C-403/08 und C-429/08, Veröffentlichung in ZUM-RD folgt). Die Richter folgten in diesem Punkt Generalanwältin Kokott, nach deren Ausführungen nationale Preisunterschiede bei der Einräumung von Übertragungsrechten zur Logik des Binnenmarktes gehören und dieser nicht zugunsten der Gewinnerzielung durch territoriale Exklusivität ausgeschaltet werden dürfe (vgl. Meldung vom 4. Februar 2011).

Bis jetzt sichern sich die Fußballclubs höhere Einnahmen aus ihren Übertragungsrechten durch deren territorial exklusive Vergabe. Denn Sender können mit derart aufgespalteten Rechten mehr Geld einnehmen. Die Exklusivität wird dadurch gesichert, dass Decoder nur an Empfänger im jeweiligen Mitgliedsstaat verkauft werden dürfen. In England klagte die Football Association Premier League (FAPL) gegen Gaststätten und Anbieter von Satellit- und Kabel-Services wegen der Installation von Decodern, die entgegen den Lizenzbestimmungen nicht vom englischen Exklusivanbieter »Sky«, sondern von griechischen Anbietern stammten. Im zweiten Verfahren wandte sich die Pub-Besitzerin Karen Murphy gegen die Festsetzung von Bußgeld wegen der von ihr lizenzwidrig eingesetzten griechischen Decoderkarte.

Schutz geistigen Eigentums kann Verstoß gegen Dienstleistungsfreiheit nicht rechtfertigen

Die Luxemburger Richter untersuchten eine Rechtfertigung des Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 ff. AEUV unter dem Gesichtspunkt des Schutzes geistigen Eigentums. Einen solchen Schutz für Sportereignisse unterstellt, folge aber daraus keine Garantie der höchstmöglichen, sondern nur einer angemessenen Vergütung, wie die Richter unter Verweis auf die Info-Richtlinie 2001/29/EG ausführen. Der Aufschlag, den Rechteinhaber für die territorial exklusive Übertragung erhalten, würde keine angemessene Vergütung mehr darstellen. Vielmehr führe er zu »künstlichen Preisunterschieden zwischen den abgeschotteten nationalen Märkten«. Der EuGH verweist auf die Schaffung eines einheitlichen Marktes für die Produktion und Verbreitung von Programmen, welche der Unionsgesetzgeber mit der Fernsehrichtlinie (vgl. zum vor kurzem ergangenen Urteil in Sachen Roj TV die Meldung vom 26. September 2011) und der Satellitenfunkrichtlinie bezweckt habe.

Auch das zweite Rechtfertigungsargument lehnten die Richter ab: Für die Förderung der Anwesenheit der Öffentlichkeit in den Fußballstadien seien z.B. vertragliche Beschränkungen gegenüber den Sendeunternehmen als mildere Maßnahme ebenfalls möglich. Eine Rechtfertigung der nach  Art. 101 AEUV verbotenen Wettbewerbsbeschränkung mittels Vereinbarung territorialer Exklusivität scheidet laut Presseerklärung des EuGH »aus analogen Gründen« aus.

Öffentliche Wiedergabe setzt Übertragung für »neues Publikum« voraus

Bei der Frage, ob die Übertragung der Spiele in Gaststätten eine öffentliche Wiedergabe darstellt und daher die entsprechenden Verwertungsrechte der Urheber zu beachten sind, weicht der EuGH vom Schlussantrag Kokotts ab. Die Generalanwältin verneinte diese Frage. Sie legte den Begriff der öffentlichen Wiedergabe unter Verweis auf den 23. Erwägungsgrund der Info-Richtlinie so aus, »dass er nur die öffentliche Wiedergabe von Werken an eine Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist«. Die Kneipenbesucher seien jedoch als »maßgebliche Öffentlichkeit an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt - Ursprung der Wiedergabe ist der Bildschirm«.

Die Richter verstehen unter öffentlicher Wiedergabe »jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren«. Das von Kokott angeführte Merkmal solle lediglich klarstellen, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe keine direkten Aufführungen und Darbietungen umfasst. Ursprung der Wiedergabe sei somit der jeweilige Übertragungsort - das Fußballstadion. Daher erfasse eine öffentliche Wiedergabe auch die sich in einer Gaststätte aufhaltenden Gäste. Allerdings sei als zusätzliches Merkmal in Art. 3 Abs. 1 Info-Richtlinie zu lesen, »dass das durch Rundfunk gesendete Werk für ein neues Publikum übertragen wird, d. h. ein Publikum, das von den Urhebern der geschützten Werke nicht berücksichtigt worden ist, als sie deren Nutzung für die Wiedergabe für das ursprüngliche Publikum zugestimmt haben«. Dieses Merkmal bejaht der EuGH. Denn bei der Einräumung von Übertragungsrechten ginge es nur um den Empfang im privaten Bereich. Zwar sind nach den Ausführungen des EuGH die Spiele selber nicht urheberrechtlich geschützt, wohl aber die vor den Ligaspielen gesendete Hymne der »Premier League«, die Zusammenfassungen vorangegangener Spiele sowie Grafiken. Deren Übertragung in Gaststätten eröffne den Urhebern ein Publikum, welches sie bei der Übertragung der Senderechte nicht berücksichtigt hätten.

Im Profifußball rechnet man nach dem Wegfall der territorialen Exklusivrechte mit deutlichen Einbußen. Wie die »Financial Times Deutschland« berichtet, kommen laut »Bayern München«-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nun »auf den Profifußball in Europa gefährliche Zeiten zu«. Ob der Verbraucher sich aufgrund stärkeren europäischen Wettbewerbs auf niedrigere Preise einstellen kann, ist umstritten. Nach Einschätzung der »Financial Times Deutschland« haben kleinere Anbieter im künftig europaweit ausgetragen Bieterkampf gegen Unternehmen wie Rupert Murdoch keine Chance, so dass insgesamt die Preise weiter von den großen Verwertern bestimmt würden.

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