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23.11.2001; 13:33 Uhr
Shell gewinnt Rechtsstreit um "shell.de"
BGH: Prioritätsgrundsatz muss zurücktreten - Anspruch nur auf Freigabe, nicht auf Überlassung

Die deutsche Tochter des Mineralölkonzerns Shell ist im Streit um den Domainnamen "shell.de" auch in letzter Instanz erfolgreich geblieben. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am 22.11.2001 in einem Grundsatzurteil, das Unternehmen könne von einem Übersetzer mit Familiennamen "Shell" die Freigabe der Internetadresse verlangen (Az. I ZR 138/99). Gleichzeitig bestätigten die Richter weitgehend eine entsprechende Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts München (OLG) vom März 1999. Wie die Vorinstanz begründete auch der BGH sein Urteil damit, der sonst bei der Anmeldung von Domainnamen geltende Prioritätsgrundsatz müsse im Fall wegen der überragenden Bekanntheit des Mineralölunternehmens zurücktreten. Die zwischen Gleichnamigen geschuldete Rücksichtnahme gebiete es, dass der Übersetzer für seine Internetadresse einen unterscheidungskräftigen Zusatz wähle. Keinen Erfolg hatte Shell allerdings mit seinem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, die strittige Domain auf das Unternehmen zu übertragen. Der BGH entschied, die Klägerin könne nur den Verzicht auf die Adresse, nicht aber auch deren Übertragung verlangen. Der Beklagte sei nur verpflichtet, die strittige Domain an die DENIC zurückzugeben.

Im Fall hatte die Deutsche Shell im Mai 1996 versucht, sich die Adresse "shell.de" eintragen zu lassen. Dabei stellte sich heraus, dass sich kurze Zeit vorher bereits ein anderes Unternehmen die Domain hatte reservieren lassen, das sie anschließend der Mineralölfirma zum Kauf anbot. Als sich Shell nicht auf dieses Geschäft einlassen wollte, übertrag der Domainhändler die Adresse auf einen Übersetzer mit dem Familiennamen "Shell". Als dieser unter "shell.de" eigene Seiten einrichtete, auf denen er auf sein Übersetzungs- und Pressebüro hinwies, erhob die Deutsche Shell Klage auf Unterlassung. Außerdem sollte der Übersetzer verpflichtet werden, die Adresse auf das Mineralölunternehmen zu übertragen. Vor dem LG und anschließend auch vor dem OLG hatte die Klage Erfolg. Die beiden Gerichte bejahten einen entsprechenden Anspruch von Shell nach Paragraph 12 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der das Namensrecht regelt. Die Allgemeinheit erwarte unter "shell.de" Seiten des Unternehmens und nicht Seiten einer völlig unbekannten Privatperson. Grund dafür sei die überragende Bekanntheit und Berühmtheit des Namens der Klägerin und der Marke "Shell". Dem Beklagten sei es eher zuzumuten, sich von der Klägerin abzugrenzen, als umgekehrt.

Der BGH schloss sich der Argumentation der Vorinstanzen weitgehend an. Die Richter wiesen darauf hin, der Beklagte habe zwar grundsätzlich das Recht, unter seinem Namen ein Internetangebot zu betreiben. Wenn allerdings wie im Fall eine Internetadresse nur einmal vergeben werden könne, müssten bei Namensgleichheit mehrerer Personen die beteiligten Interessen gegeneinander abgewogen werden. Dabei gelte zwar grundsätzlich der Grundsatz der Priorität, dem sich im Allgemeinen auch der bekanntere Namensträger unterwerfen müsse. Im Fall seien allerdings die Interessen der Parteien von derart unterschiedlichem Gewicht, dass es ausnahmsweise nicht bei der Anwendung des Prioritätsgrundsatzes bleiben könne. Ein Internet-Nutzer, der in der Adreßzeile "www.shell.de" eingebe, erwarte den Internet-Auftritt der Klägerin. Der heterogene Kreis der am Internet-Angebot der Klägerin interessierten Kunden könne auch nicht auf einfache Weise darüber informiert werden, daß ihr Internet-Auftritt unter einem anderen Domain-Namen als "shell.de" zu finden sei. Auf der anderen Seite erwarteten Freunde des Beklagten und seiner Familie kaum von sich aus, die private Homepage der Familie Shell unter "shell.de" aufrufen zu können. Als ein homogener Benutzerkreis könnten sie auch leicht über eine Änderung des Domain-Namens informiert werden.

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