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14.12.2006; 14:56 Uhr
EU-Fernsehrichtlinie: Europäisches Parlament beschließt Lockerungen bei Produktplatzierung
Gespaltene Reaktionen auf Beschluss - Liberalisierung der Schleichwerbung mehrheitlich kritisiert

Das Europäische Parlament (EP) hat den Revisionsvorschlag zur EU-Fernsehrichtlinie am 13.12.2006 in erster Lesung beschlossen. Dabei folgten die Abgeordneten laut einem Artikel des »Tagesspiegels« vom 14.12.2006 mit großer Mehrheit den Empfehlungen des Kulturausschusses. Dieser hatte entgegen des Beschlusses der Kulturminister der Mitgliedstaaten - siehe Meldung vom 13.11.2006 - dafür pladiert, Produktplatzierungen bei Sportsendungen, Filmen, Serien und sonstiger leichter Unterhaltung bei entsprechender Kennzeichnung, u. a. dem Einblenden eines neutralen Logos alle 20 Minuten, grundsätzlich zuzulassen. Verboten bleiben sie aber in Nachrichten-, Kinder-, Dokumentar- und Ratgebersendungen. Zukünftig dürfen Werbeblöcke alle 30 statt bisher 45 Minuten bei einer maximalen stündlichen Obergrenze von 12 Minuten geschaltet werden. Ausgedehnt wird der Geltungsbereich der Richtlinie auch auf audiovisuelle Mediendienste wie Fernsehangebote übers Internet, Mobilfunk oder auf Abruf (Video-on-Demand). Schließlich wird ein europäisches Recht auf Kurzberichterstattung für alle Sender eingeführt, die keine Übertragungsrechte besitzen oder die Ausstrahlung exklusiv im Pay-TV erfolgt.

Letzterer Gesichtspunkt wurde von der ARD und der MdEP Helga Trüpel (Bündnis 90/Die Grünen) ausdrücklich begrüßt. Weniger enthusiastisch fielen ihre Reaktionen zu den Neuregelungen zur Produktplatzierung aus. Die ARD kündigte an, die neuen Regelungen nicht in Anspruch nehmen zu wollen, auch Trüpel und ihre Kollegin aus dem Bundestag, Grietje Bettin warnten vor amerikanischen Verhältnissen aufgrund der Legalisierung von Schleichwerbung. Die vielen Schleichwerbeaffären der vergangenen Monate hätten gezeigt, dass diejenigen, die Produkte, Themen oder Firmenwerbung platzieren, auch Einfluss auf die Gestaltung der Sendung nehmen würden, so Bettin. Auch die Europaabgeordnete Lissy Gröner (SPD) sieht Grauzonen entstehen durch die Neuregelungen, während Ruth Hieronymi (CDU) dies zwar als »schmerzhaften Kompromiss« beteichnete, der aber nun wenigstens europaweit für klare Verhältnisse sorge. Einzig der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) begrüßte die Liberalisierung der Werberegeln, die laut seinem Präsidenten Jürgen Doetz durchaus noch flexibler, z. B. mit der Zulassung von Einzelwerbespots, hätte ausfallen können. Er hoffe daher weitergehende Änderungen in den kommenden fünf bis zehn Jahren.

Wenig Gutes dagegen vermag der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ) erkennen. Die nun grundsätzlich zulässige Schleichwerbung gefährde die Glaubwürdigkeit der Medien wegen schwindender Abgrenzung von Programm und Werbung, zudem seien kaum Werbemehreinnahmen zu erwarten. Als Schwächung des Schutzes der Pressefreiheit bezeichnete Christoph Fiedler, Leiter Europa- und Medienpolitik des VDZ, die Ausdehnung der Regulierung auf Internet-Medien. Damit werde der Handlungsspielraum für Angebote im Internet geringer, da die restriktive Medienkontrolle zunehmen werde.

Dokumente:

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Die Revision der Fernsehrichtlinie - Überblick über die wesentlichen geplanten Änderungen unter besonderer Berücksichtigung der Liberalisierung des Verbotes von Produktplatzierungen, Aufsatz von Stephan Leitgeb, LL.M. Eur., München, ZUM 2006, 837-843 (Heft 11)
[IUM/hl]

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