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12.06.2015; 09:01 Uhr
BGH entscheidet in drei Fällen zur Schadensersatzpflicht wegen Teilnahme an einer Tauschbörse
Regeln zu einem »ordentlichen Verhalten« reichen für Belehrungserfordernis minderjähriger Kinder nicht aus

Einer Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11. Juni 2015 zufolge, hat der I. Zivilsenat am selben Tag drei Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) Köln bestätigt, mit denen Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten wegen des Vorwurfs des Filesharing zugesprochen worden sind (Az.: I ZR 19/14, I ZR 21/14, I ZR 75/14 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt).

Die Klägerinnen, vier führende deutsche Tonträgerherstellerinnen, hatten die Beklagten jeweils auf Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen. Sie warfen ihnen vor, am 19. Juni 2007, am 19. August 2007 bzw. am 17. Dezember 2007 über IP-Adressen eine Vielzahl von Musiktiteln zum Herunterladen verfügbar gemacht und damit ihre Tonträgerherstellerrechte verletzt zu haben. Die IP-Adressen waren durch Recherchen des von den Klägerinnen beauftragten Softwareunternehmens proMedia bekannt geworden. Mithilfe der Internetprovider konnte die Staatsanwaltschaft daraufhin die Inhaber des der IP-Adresse zugewiesenen Internetanschlusses ermitteln.

In den Verfahren I ZR 75/14 und I ZR 19/14 haben die Beklagten die Richtigkeit der Ermittlungen von proMedia sowie die Zuweisung der IP-Adresse bestritten und in Abrede gestellt, die Musikdateien zum Herunterladen verfügbar gemacht zu haben. Im Rechtsstreit I ZR 75/14 hat der Beklagte behauptet, er habe sich mit seiner Familie zur angeblichen Tatzeit im Urlaub befunden. Router und Computer seien vor Urlaubsantritt vom Stromnetz getrennt worden. Während das Landgericht Köln die Klage abwies (Az. 28 O 391/11 vom 24. Oktober 2012), hat das OLG Köln den Beklagten antragsgemäß verurteilt (Az.: 6 U 210/12 vom 14. März 2014). Es hat nach der zeugenschaftlichen Vernehmung eines Mitarbeiters des Softwareunternehmens und der Familienangehörigen des Beklagten als erwiesen angesehen, dass die Musikdateien von dem Rechner des Beklagten zum Herunterladen angeboten worden sind. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass der Beklagte als Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzung einzustehen hat, weil nach seinem Vortrag ein anderer Täter nicht ernsthaft in Betracht komme.

Auch im Rechtsstreit I ZR 19/14 hat es das OLG (ZUM-RD 2014, 495 - Nachzulesen bei Beck Online) sowie in diesem Fall auch die erste Instanz (ZUM-RD 2013, 74 - Nachzulesen bei Beck Online) aufgrund der Beweisaufnahme als erwiesen angesehen, dass die Musikdateien über den Internetanschluss des Beklagten zum Herunterladen verfügbar gemacht worden sind. Die Richter haben angenommen, dass der Beklagte für die Urheberrechtsverletzungen als Täter einzustehen hat. 

Nach Ansicht des BGH ist das OLG Köln in beiden Fällen zutreffend davon ausgegangen, aufgrund der von den Klägerinnen bewiesenen Richtigkeit der Ermittlungen von proMedia und des Internetproviders stehe fest, dass die Musiktitel über die den Beklagten als Anschlussinhabern zugeordneten Internetanschlüsse zum Herunterladen bereitgehalten worden sind. Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen auch Fehler vorkommen können, spreche nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle - wie in dem zum Geschäftszeichen I ZR 19/14 geführten Rechtsstreit eingewandt - reiche insoweit nicht. Im Rechtsstreit I ZR 75/14 habe der Beklagte sein Vorbringen, er habe sich im Urlaub befunden, nicht beweisen können. Er hat auch nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht darlegen können, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen. Damit greife die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ein. 

In dem Rechtsstreit I ZR 7/14 ging es um die Haftung der Beklagten als Aufsichtspflichtigem für seine Tochter. Diese hatte bei ihrer polizeilichen Vernehmung eingeräumt, die Musikdateien heruntergeladen zu haben. Die Beklagte wendet sich gegen die Verwertung des polizeilichen Geständnisses ihrer Tochter und behauptete, diese über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Tauschbörsen belehrt zu haben. Sowohl das LG Köln (Az. 14 O 277/12 vom 2. Mai 2013) als auch das OLG Köln (Az. 6 U 96/13 vom 6. Dezember 2013) haben eine Verletzungshandlung der Tochter der Beklagten als erwiesen angesehen und sind von einer Verletzung der Aufsichtspflicht der Beklagten ausgegangen, § 832 Abs. 1 S. 1 BGB.

Zu Recht, wie der BGH nun bestätigt. Die Beklagte ist nach Ansicht des I. Zivilsenats durch für den durch die Verletzungshandlung ihrer damals minderjährigen Tochter verursachten Schaden gemäß § 832 Abs. 1 S. 1 BGB verantwortlich. Zwar genügten Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehrten und ihm eine Teilnahme daran verböten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, bestehe grundsätzlich nicht. Der BGH stellt klar, dass Eltern zu derartigen Maßnahmen erst dann verpflichtet sind, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt. Eine entsprechende Belehrung ihrer Tochter durch die Beklagte konnte allerdings nicht festgestellt werden. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem »ordentlichen Verhalten« aufgestellt haben möge, reiche insoweit nicht aus.

Bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der Lizenzanalogie ist das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH rechtsfehlerfrei von einem Betrag von 200 Euro für jeden der insgesamt 15 in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel ausgegangen. Die Höhe der Abmahnkosten seien korrekt auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet worden.

Dokumente:

[IUM/kr]

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