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04.03.2009; 16:29 Uhr
Experten diskutieren über Änderungen des Telemediengesetzes
Urheberrechtliche Regelung zu Bildersuchmaschinen vorgeschlagen

Im Wirtschaftsausschuss des Bundestages fand am 4. März 2009 die Anhörung der Sachverständigen zu einer möglichen Novellierung des Telemediengesetzes (TMG) statt. Die FDP-Fraktion hatte einen Gesetzentwurf eingebracht, der unter anderem die überwiegend von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze der Störerhaftung von Internetdiensteanbietern für fremde Inhalte auf eine gesetzliche Grundlagen bringen und somit zur Rechtssicherheit in diesem Bereich führen solle. Daneben sollen auch verbraucher- und datenschutzrechtliche Anpassungen vorgenommen werden, wie die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen in einem ergänzenden Entschließungsantrag gefordert hatten.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem für die Haftungsprivilegierung von Diensteanbieter für fremde Inhalte nach § 7 Abs. 2 TMG vor, dass eine Sperrung bzw. Entfernung zukünftig nur noch aufgrund eines gegen den Verletzer gerichteten gerichtlichen Titels erfolgen müsse. Hier zu betonte Dr. Wolf Osthaus als Vertreter von eBay, dass die mit dem Titelerfordernis verbundene Subsidiarität einer Inanspruchnahme Anbieters grundsätzlich sinnvoll sei. Man müsse jedoch nach Art und Umfang der Verletzungen differenzieren. Wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich ist, sei ggf. die direkten Inanspruchnahme des Anbieters praktikabler, während es etwa bei wiederholten oder zukünftigen Verletzungen durchaus geboten sei, an der Quelle anzusetzen. Unterstützung erhielt er dabei von Rechtsanwalt Matthias Hartmann, der ein starres Subsidiaritätsprinzip ebenfalls ablehnte. In dem Erfordernis eines gerichtlichen Titels sieht Rechtsanwalt Jörg Heidrich mangels Kostenregelung eine Gefahr für Betreiber kleinerer Foren oder Blogs, die - falls der Verletzer nicht greifbar ist - bei einer Kostentragungspflicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet seien und daher besser als »kleineres Übel« vermeintlich rechtswidrige Inhalte entfernen könnten. Ein Erfordernis eines Titels solle allenfalls mit einer entsprechenden Kostenregelung und einer Differenzierung zwischen den Anbietern vorgesehen werden. Aus dieser Sicht sei es daher vorzugswürdiger die u.a. vom Landgericht Hamburg ergangene Rechtsprechung zu kodifizieren, wenngleich bei in den Fällen der Forenhaftung relevanten Meinungsäußerungen eine automatisierte Filterung nicht möglich sei.

In diesem Punkt stellte Dr. Patrick Breyer klar, dass präventive Maßnahmen nicht Aufgabe privater Diensteanbieter seien. Daher sei hier neben der Subsidiarität ihrer Haftung auch eine klarstellende Vorschrift sinnvoll, dass ihre Haftungsprivilegierung nach dem TMG auch für Unterlassungsansprüche gilt. Dr. Osthaus wies darauf hin, dass es für das in der Praxis betriebene »Notice&Takedown«-Verfahren keine gesetzliche Grundlage gebe und eine Kodifizierung daher sinnvoll sein könne. Einen Sperrverpflichtung der Access-Provider solle aus seiner Sicht nicht vorgesehen werden, da die Umsetzung auch technisch problematisch sei. Daher komme nur eine Verpflichtung der Host-Provider in Betracht, wo sich jedoch im nächsten Schritt bei der Erkennbarkeit und Beurteilung von Rechtsverletzung Schwierigkeiten ergeben. Da dem vermeintlich Verletzten häufig geglaubt werde, müsse ein formalisiertes Verfahren und eine gerichtliche Klärung vorgesehen werden, um Missbrauch zu verhindern. An dieser Stelle hob Rechtsanwalt Matthias Hartmann das Verfahren von Google hervor, dass eine zeitnahe Entfernung von Inhalten ermöglicht und bei Aufruf Auskunft über den Grund der Löschung gibt. In einfach gelagerten Fällen sei nach seiner Meinung ein »Notice&Takedown«-Verfahren sinnvoll, wichtig sei aber stets die Transparenz über Ablauf und Umfang des Verfahrens.

Christoph Kannengießer stellte als Vertreter des Markenverbandes fest, dass die Haftungsprivilegierung bei Verkaufsplattformen wie eBay evtl. zu weit gefasst sein könnte, weil man in diesen Fällen auch von einer Vertriebsgemeinschaft von Verletzter und Plattform ausgehen könnte. Dr. Osthaus entgegnete, dass eine solche Vertriebsgemeinschaft ein wissentliches und willentliches Zusammenwirken voraussetze, wovon man aufgrund der großen Zahl an Angeboten auf eBay nicht ausgehen könne. Hier habe sich das »Notice&Takedown«-Verfahren bewährt, so dass eine gesetzliche Festlegung wünschenswert sei. Zu dem aktuell ergangenen Urteil des OLG Düsseldorf (vgl. Meldung vom 26. Februar 2009) sagte Osthaus, dass an den vom BGH aufgestellten Grundsätzen festgehalten worden sei, die Firma Rolex als Klägerin jedoch den Umfang der Unterlassungspflicht nicht ausreichend dargelegt habe.

Für eine gesetzliche Festlegung des »Notice&Takedown«-Verfahrens sprach sich auch Claus Grewenig vom Verband Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) aus. Das Erfordernis eines gerichtlichen Titels sei kontraproduktiv. Dr. Breyer hingegen sieht in der Einigung zwischen Anspruchsteller und Anbieter im Rahmen des »Notice&Takedown«-Verfahrens und ähnliche außergerichtliche Modelle Probleme, weil sie sich im privaten Bereich abspiele. Daher solle ein solches Verfahren nicht gesetzlich vorgesehen werden, sondern vielmehr am Erfordernis eines gerichtlichen Titels festgehalten werden. Für Fälle, in denen dadurch die wirtschaftliche Existenz eines Anbieters gefährdet sei, wies er auf die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe hin.

Ein weiteres Problem sei das Phänomen des »Forenshoppings« wegen des »fliegenden Gerichtsstandes« in Internetfällen. Hier schlug Breyer ein gesetzliche Erfordernis für die Anrufung eines bestimmten Gerichts vor, etwa ein »berechtigtes Interesse« o.ä. Während Heidrich ebenfalls für eine Einschränkung bei der Auswahl eines Gerichts plädierte, betonte Hartmann, dass auch sachgerechte Gründe für die Wahl eines Gerichts sprechen könnten und er daher hier kein ausuferndes Problem sehe.

Zu der aktuellen Problematik um Bildersuchmaschinen stellte Dr. Arnd Haller stellvertretend für Google klar, dass diese für fremde Inhalte möglicherweise schon durch das im Gesetzentwurf enthaltene Suchmaschinenprivileg gelöst werde. Da jedoch auch eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung vorgenommen werde, so zusätzlich eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes notwendig. Diese könnte entweder durch eine zusätzliche Schrankenregelung oder auf einer vorherigen Stufe erfolgen, indem geregelt werde, dass die Anzeige in der Trefferliste keine Vervielfältigung des Suchmaschinenbetreibers, sondern des Anbieters der betreffenden Homepage sei.

Weitere Diskussionspunkte betrafen datenschutzrechtliche Regelungspunkte. So vertrat Heidrich den Standpunkt, dass es sich bei IP-Adressen um personenbezogene Daten handele und der Nutzer daher Transparenz über die Erhebung haben müsse. Aus diesem Grund dürfe die Zustimmung nicht versteckt über AGB erfolgen. Hartmann verwies an dieser Stelle auf die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung. Auch das vorgesehen Koppelungsverbot von marktbeherrschenden Angeboten und der Einwilligung in die Datenerhebung wurde von den Experten unterschiedlich bewertet. Zur wirtschaftlichen Bedeutung von Nutzerprofilen für Internet-Geschäftsmodelle wies Dr. Breyer auf die Möglichkeit paralleler Angebote hin, die ohne Datenerhebung zu einem höheren Nutzungsentgelt angeboten werden könnten. Dr. Osthaus betonte jedoch, dass im Fall von eBay das »Notice&Takedown«-Verfahren nur aufgrund von Nutzereinwilligung, die bei Registrierung zwingend erfolgen müsse, stattfinde. Datenschutzrechtlich sei die Datenerhebung und -weitergabe andernfalls unzulässig. Dies zeige, dass ein striktes Koppelungsverbot nicht unbedingt sinnvoll sei.

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