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19.03.2012; 11:09 Uhr
Deutsche Provider gegen freiwillige Einführung eines »Two-Strikes«-Modells
Zugangsanbieter wehren sich gegen Rolle als Hilfspolizisten

Bei dem vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) initiierten »Wirtschaftsdialog zur Bekämpfung von Internetpiraterie« am vergangenen Donnerstag sind die Verhandlungen über die Einführung eines Warhinweismodells auf freiwilliger Basis am Widerstand der deutschen Provider gescheitert. Hintergrund der Beratungen zwischen den beteiligten Rechteinhabern und Diensteanbietern war die Anfang Februar vom BMWi veröffentlichte vergleichende Studie (Kurzfassung als pdf-Datei) der Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule in Köln, welche die innerhalb der EU diskutierten Regelungsmodelle und -ansätze zur Versendung von Warnhinweisen bei mutmaßlichen Urheberrechtsverletzungen im Internet untersuchte (vgl. Meldung vom 3. Februar 2012). Im Ergebnis plädierte das Gutachten für ein »Two-Strikes«-Modell, bei dem die Zugangsanbieter »vorgerichtlich mitwirken« und nach erfolgtem Hinweis durch die Rechteanbieter die betreffenden Anschlussinhaber ermitteln und und sodann verwarnen sollen.

Anders als die amerikanischen Provider, die Medienberichten zufolge ab 12. Juli 2012 selbstständig und freiwillig automatisierte Filtersysteme zur Bekämpfung von Copyright-Verletzungen im Internet einsetzen sollen, wehren sich die deutschen Provider gegen die freiwillige Einführung einer »Two-Strikes«-Regelung. »Wir lehnen das ›Two-Strikes‹-Modell ab, da dies eine Privatisierung der Rechtsverfolgung im Urheberrecht sowie eine Aufweichung der neutralen Rolle der Provider, wie sie in E-Commerce-Richtlinie und Telemediengesetz niedergelegt ist, zur Folge hätte«, so laut »Heise Online« der Anbieter 1 & 1. Für die Zugangsanbieter bestehe keine Veranlassung, die Arbeit der Inhalteanbieter zu übernehmen, erklärte Oliver Süme vom Providerverband eco. Warhinweisverfahren seien in Deutschland datenschutzrechtlich und verfassungsrechtlich zweifelsfrei unzulässig. Die Gespräche über Möglichkeiten zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet sollen beschleunigt fortgesetzt werden, heißt es in der Pressemitteilung des BMWi. Grundlage der weiteren Gespräche solle ein »Strauß« von zehn potentiellen Maßnahmen für einen besseren Schutz des geistigen Eigentums sein, darunter eine Aufklärungskampagne aller beteiligten Wirtschaftkreise. Im Fokus stehe in erster Linie der Anbieter illegaler Inhalte und nicht der Nutzer, darin seien sich alle Beteiligten einig.

Verschiedene Vertreter der Netzlobby beschwerten sich im Vorfeld der Verhandlungen, dass sie als Vertreter der »Endnutzer« auch nach mehrfacher Nachfrage nicht an den Gesprächen teilnehmen durften. Markus Beckedahl von der Digitalen Gesellschaft e.V. kritisierte den »geschlossenen Zirkel« und der AK Zensur bezeichnete die Gespräche als »Geheimverhandlungen à la ACTA«. Nach Angaben des BMWi hingegen haben auch Vertreter des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e.V. (bdzv) als Interessenvertreter der Internetnutzer an den Gesprächen teilgenommen.

Im Rahmen der Debatte um »Two«- und »Three-Strikes«-Modelle und zur Bewertung der Rechtslage in Deutschland hat der Branchenverband eco ein Rechtsgutachten mit dem Titel »Internetsperren und der Schutz der Kommunikation im Internet« in Auftrag gegeben, welches die grundsätzliche Unvereinbarkeit von Netzsperren mit geltendem deutschen und EU-Recht herausstellt. Danach verletzen Sperrungen - unabhängig von der verwendeten Methode - in unzulässigerweise den vom Gesetz definierten Schutzbereich des grundrechtlich verankerten Fernmeldegeheimnisses. 

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