mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
22.08.2012; 15:29 Uhr
BGH entscheidet alte Streitfrage in Sachen »Elektronischer Programmführer«
Frage der unlauteren Diskriminierung nach § 20 GWB noch offen

Der BGH hat in einem bisher wenig beachteten und erst kürzlich veröffentlichten Urteil vom 27. März 2012 entschieden, dass die von der Beklagten, Betreiberin eines für die Nutzer kostenlosen werbefinanzierten elektronischen Programmführers («EPG«), ohne Zustimmung der Berechtigten entnommenen und auf ihren Webservern zum Abruf durch die Allgemeinheit bereitgestellten Programminformationen (Text- und Bildmaterial) urheberrechtlichen Schutz genießen (Az.: KZR 108/10; Veröffentlichung in ZUM bzw. ZUM-RD folgt).

Ferner stellte der BGH fest, dass die Übernahme des Text- und Bildmaterials nicht als Berichterstattung über Tagesereignisse i.S.v. § 50 UrhG zulässig ist. Eine Anwendung der Schrankenregelung des § 50 UrhG scheide schon deshalb aus, weil die Texte nicht im Verlauf der angekündigten Fernsehsendung wahrnehmbar seien. Auf eine »mittelbare Wahrnehmbarkeit«, wie von der Beklagten vorgebracht, könne im Hinblick auf die grundsätzlich eng auszulegende Schrankenbestimmung nicht abgestellt werden. Der BGH folgt ferner den Ausführungen des Berufungsgerichts, § 50 UrhG sei jedenfalls deshalb nicht anwendbar, weil eine erlaubnis- und vergütungsfreie öffentliche Wiedergabe der Programminformationen durch die Beklagte nicht geboten sei. Der Beklagten sei es ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, vor der Übernahme des Text- und Bildmaterials aus den Presselounges der Sendeunternehmen in den »EPG« die Zustimmung der Berechtigten einzuholen.

Das OLG Dresden nahm in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 2009 an, die Beklagte könne gegenüber dem Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht einwenden, die Weigerung der Sendeunternehmen, ihr das Text- und Bildmaterial kostenfrei wie den Zeitschriftenverlagen zu Verfügung zu stellen, verstoße gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot gemäß § 20 GWB. Dem folgt der BGH nicht, hebt daher das Berufungsurteil auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Dresden zurück. Dieses habe nach Auffassung des BGH bislang keine hinreichenden Feststellungen zu einer möglichen sachlichen Rechtfertigung der bestehenden Ungleichbehandlung zwischen Verlagen einerseits und der Beklagten andererseits getroffen.

Dokumente:

  • Urteil des OLG Dresden vom 15. Dezember 2009, Az. 14 U 818/09 (tvtv.de), ZUM 2010, 362 (Volltext bei Beck Online)
  • Urteil des LG Leipzig vom 22. Mai 2009, Az. 05 O 2742/08, ZUM 2009, 980 (Volltext bei Beck Online)
  • siehe auch LG Köln, Urteil vom 23. Dezember 2009, Az. 28 O 479/08 (Kart), ZUM-RD 2010, 283 (Volltext bei Beck Online)
  • Oliver Castendyk: Programminformationen der Fernsehsender im EPG - auch ein Beitrag zur Auslegung von § 50 UrhG, ZUM 2008, 916 (Volltext bei Beck Online)

Institutionen:

[IUM/ct]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 4710:

https://www.urheberrecht.org/news/4710/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.