mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
11.05.2011; 15:59 Uhr
EGMR: Ex-»Formel 1«-Chef Mosley scheitert mit Klage gegen Großbritannien
Vorabinformation vor Veröffentlichung privater Themen führt zu einem »chilling effect« für Pressefreiheit

Am Dienstag entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einstimmig über die Klage des ehemaligen Féderation Internationale de l'Automobile (FIA)-Chefs Max Mosley (Urteil vom 10. Mai 2011 in Sachen »Mosley gegen Vereinigtes Königreich«, Appl. no. 48009/08).

Im März 2008 wurde auf der Titelseite des britischen Boulevard-Blatts News of World über Mosley ein mehrseitiger Bericht veröffentlicht, in dem ihm eine »Nazi-Orgie mit 5 Prostituierten« vorgeworfen wurde. Der Bericht enthielt Bilder, die den Ex-»Formel 1«-Chef bei sexuellen Aktivitäten abbildeten. Parallel wurde auf der Webseite der Zeitung ein Sex-Video gezeigt, das während der Orgie heimlich aufgenommen worden war. Mosley ging dagegen gerichtlich in England vor. Mit Erfolg: Die Verletzung seiner Privatsphäre wurde durch das britische Gericht bejaht. Es bestünde kein Bezug Mosleys zum Nationalsozialismus und daher auch kein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung. Max Mosley erhielt 60.000 Pfund Schadensersatz.

Vor dem EGMR machte Mosley dann geltend, dass das Vereinigte Königreich sein Recht auf Privatsphäre nach Art. 8 EMRK verletze, indem es keine Rechtspflicht zur Vorverständigung seitens der Zeitung über die Veröffentlichung des Berichts kodifiziert habe. Damit würde ihm die Möglichkeit genommen, im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Veröffentlichung und damit die Verletzung seiner Privatsphäre noch rechtzeitig zu verhindern.

Die Klage wurde nun vom EGMR abgelehnt. Nach Abwägung gegen die Meinungsfreiheit aus Art. 10 EMRK sei nachträgliche Entschädigungen angemessene Maßnahmen gegen Verletzungen der Privatsphäre. Dem Verlangen auf Vorverständigung (»pre-notification«) erteilte das Gericht eine klare Absage. Dies würde dazu führen, dass die freie Meinungsäußerung bzw. die Pressefreiheit in allen journalistischen Themengebieten, bis hin zum politischen und investigativen Journalismus, beeinträchtigt wird. Eine für das journalistische Arbeiten abschreckende Wirkung (»chilling effect«) würde entstehen und damit die Pressefreiheit beeinträchtigen. Auch wenn gerade im Bereich der privaten Sensationsberichterstattung Art. 10 EMRK gegenüber dem Schutz der Privatsphäre aus Art. 8 EMRK zurücktreten müsse, führe eine Vorverständigungspflicht, die sich auf alle Gebiete des Journalismus auswirken würde, zu einer schweren nicht hinnehmbaren Einschränkung der journalistischen Effektivität. Demnach verstößt die unterlassene Festlegung einer Rechtspflicht zur Vorverständigung nicht gegen Art. 8 EMRK.

Max Mosley kann gegen das Straßburger Urteil der kleinen Kammer binnen drei Monate Rechtsmittel einlegen. Der Fall kann dann vom EGMR zur großen Kammer verwiesen werden.

Dokumente:

Institutionen:

[IUM/eg]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 4273:

https://www.urheberrecht.org/news/4273/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.