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22.06.2011; 09:40 Uhr
»FRITZ!Box« gegen »Surf Sitter«: Streit um Rechte an Open-Source-Software in eingebetteten Systemen
Eigenschaft der »FRITZ!Box«-Firmware als Computerprogramm im eV-Verfahren jedoch nicht bewiesen

Vor dem LG Berlin ist zurzeit ein Rechtsstreit anhängig, in dem es um die Verwendung von Open-Source-Software im Rahmen eines »eingebetteten Systems« und daraus gegen Dritte resultierende Ansprüche geht. Bei »eingebetteten Systemen« sind Hard- und Software als sog. Firmware speziell aufeinander angepasst, z.B. ein DSL-Router mit speziellen vom Hersteller vorgesehenen Funktionen. Die Klägerin stellt den DSL-Router »FRITZ!Box« her. Unstreitig hat sie hierfür Open-Source-Software benutzt. Das beklagte Softwareunternehmen hat eine Kindersicherungssoftware erstellt, nach deren Installation Funktionen der »FRITZ!Box« nicht angesteuert werden, was beim Aufspielen der Software angezeigt wird. Betroffen sind Programm-Funktionen wie die Anzeige einer Internetverbindung, die Firewall und die Kindersicherung der »FRITZ!Box«. Die Klägerin stützt ihre Klage auf urheber-, wettbewerbs- und markenrechtliche Ansprüche.

Im einstweiligen Rechtsschutz bekam die Klägerin Recht. Das KG Berlin bestätigte die einstweilige Verfügung des LG Berlin jedoch nur hinsichtlich des auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche gestützten Antrags (Urteil vom 6. September 2010, Az. 24 U 71/10). Denn indem Funktionen der Original-Firmware nicht mehr angesteuert werden, entstehe eine Irreführung des Verbrauchers. Der Kunde rechne die Fehlfunktion der Klägerin zu. Das KG stellte hierbei darauf ab, dass nicht alle Verbraucher die Kindersicherung selbst installieren und die entsprechenden Hinweise gelesen haben.

Urheberrechtliche Ansprüche verneinte das KG. Denn nach Ansicht der Berliner Richter war gar nicht ausreichend dargelegt, warum die Software der »FRITZ!Box« überhaupt ein Computerprogramm i.S.v. § 69 a UrhG ist. Bei dieser Software handele es sich lediglich um eine Kombination von bestehenden Funktionen (nach Angaben von Welte knapp 1800 Dateien), einige davon Open-Source-Software. Dass es sich bei der »FRITZ!Box« um ein »eingebettetes System« handelt, führt nach den Ausführungen des KG zu keiner anderen Beurteilung. Der Vortrag reiche jedenfalls nicht aus, um die tatsächliche Vermutung des urheberrechtlichen Schutzes, die für komplexe Programme besteht, zu begründen. Auch einen Urheberrechtsschutz als Sammelwerk, §§ 4, 69 a UrhG, sprach das KG der »FRITZ!Box«-Firmware nicht zu. Denn das Programm lasse keine individuelle Auswahlleistung erkennen, sondern sei funktional vorgegeben.

Im Hauptsacheverfahren hat die Klägerin nach Angaben von »Heise Online« nachgelegt und »einzelne Codezeilen« angegeben, an denen Urheberrechtsverletzungen begangen worden seien. Eine Urheberrechtsfrage des Falls ist daher, ob die Klägerin gegen die Bestimmungen der GNU General Public License, Version 2 verstößt, wenn sie Dritten verbietet, ein funktional abweichendes Programm für den von ihr hergestellten Router zu vertreiben. Diese Lizenz sieht eine freie Weiterentwicklung von Software unter der Bedingung vor, dass sie Dritten ebenfalls zur freien Weiterentwicklung eingeräumt wird. In diesem Fall entstehen Nutzungsrechte an den Open-Source-Programmen. Bei Verstoß gegen die auflösende Bedingung entfallen die Nutzungsrechte. Die Software des Routers basiert auf dem Open-Source-Programm »Linux«. Einer der »Linux«-Urheber ist der Programmierer Harald Welte, der bereits im eV-Verfahren als Nebenintervenient geltend machte, dass die Klägerin gegen die »Linux«-Lizenz verstößt. Die Klägerin ist dagegen der Ansicht, dass der Quellcode der Open-Source-Software verwendet werden dürfe, nur nicht für ihr Produkt, für das es ja bereits eine spezielle Firmware gebe. Dagegen argumentiert die Gegenseite, Router seien wie PCs offene Plattformen, auf die jede mögliche Software aufgespielt werden dürfe.

In der mündlichen Verhandlung wiesen die Richter des LG Berlin gestern auf die Gefahr hin, dass sie die gesamte Firmware der Klägerin als Open-Source-Software einstufen, wenn sie an ihrer Auffassung festhält, die Firmware sei ein Sammelwerk. Die Klägerin vertritt daher jetzt, dass es sich bei der Firmware um eine Ansammlung von Werken handele. Im Rahmen der markenrechtlichen Ansprüche beruft sich die Klägerin auf den BGH, der in seiner »SIM-Lock«-Entscheidung den Vertrieb eines veränderten Produktes unter gleichem Markennamen als Markenrechtsverletzung einstufte.

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