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11.12.2007; 10:09 Uhr
Perlentaucher gewinnt auch in zweiter Instanz
»Rezensionsnotizen« sind freie Benutzung von Originalrezensionen der FAZ und SZ

Die komprimierte Wiedergabe von Buchrezensionen in Form von »abstracts« kann unter bestimmten - und im Fall der Klage gegen »Perlentaucher.de« erfüllten - Voraussetzungen urheberrechtlich zulässig sein. Dies entschied der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG Frankfurt a. M.) am 11.12.2007 in zwei Urteilen (Az. 11 U 75/06; 11 U 76/06 - Veröffentlichung in der ZUM folgt).

Die Verlage der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) und der »Süddeutschen Zeitung« (SZ) hatten sich mit ihren Unterlassungsklagen gegen das Internet-Kulturmagazin »Perlentaucher.de« gewandt, um letzterem zu untersagen, von seinen Mitarbeitern formulierte Buchrezensionen, die auf Originalkritiken der Klägerinnen basieren und einzelne Zitate und Passagen enthalten (»abstracts«), zu verbreiten bzw. hilfsweise dies bei solchen »abstracts« zu unterlassen, die wegen des Umfangs der übernommenen Formulierungen auf jeden Fall ihre Verwertungsrechte verletzen. Nachdem das Landgericht Frankfurt am Main die Klagen abgewiesen hatte (ZUM 2007, 65), blieben nun auch die hiergegen gerichteten Berufungen der Klägerinnen ohne Erfolg.

Nach Ansicht des OLG Frankfurt a. M. könne ein generelles Verbot schon deshalb nicht ausgesprochen werden, weil die öffentliche Beschreibung des Inhalts eines Werkes nach dessen Veröffentlichung grundsätzlich jedermann zustehe, soweit es sich dabei nicht um eine unzulässige Bearbeitung des Originals, hier also der Originalrezension, handele. Ferner sei ein »abstract«, in dem Originaltextstellen wiedergegeben würden, nicht generell urheberrechtlich unzulässig. Vielmehr komme es hier dabei darauf an, ob es sich um eine unzulässige Bearbeitung des Originals oder um eine freie Benutzung gem. §§ 23, 24 UrhG handele. Hiernach verbiete sich ein eigenständige schöpferischer Gehalt nicht bereits deswegen, weil das besprochene Original in seinen wesentlichen Gedanken mitgeteilt werde, denn gerade in der Komprimierung könne eine eigenständige schöpferische Leistung liegen. Dabei werde die Individualität umso größer, je weiter sie sich vom Aufbau des Originalwerkes entferne. Auch komme es auf den Umfang der übernommenen wörtlichen oder fast wörtlichen Passagen an, wobei rein deskriptive Begriffe nicht zu berücksichtigen seien, da hier der »abstract«-Verfasser keinen Gestaltungsspielraum habe. Schließlich sei bei der derart vorzunehmenden Abgrenzung auch Art. 5 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, da hierdurch auch solche Berichterstattung geschützt werde, die kommerzielle Ziele verfolge. Letztlich könnten die Klägerinnen, so das OLG Frankfurt a. M., auch nicht auf das Marken- und Wettbewerbsrecht zurückgreifen, da die Vorgaben des Urheberrechts zu beachten seien, weshalb marken- oder wettbewerbsrechtlich nicht untersagt werden könne, was das Urheberrecht gestatte.

Wie bereits im Oktober angekündigt hat der erkennende Senat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Abzuwarten bleibt, ob hiervon nun die Verlage von »FAZ« und »SZ« Gebrauch machen werden.

Dokumente:

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Zulässige Sekundärnutzung urheberrechtlich geschützter Textvorlagen in eigengestalteten Kurzfassungen (sog. abstracts), Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. November 2006, Az. 2-03 O 172/06, ZUM 2007, 65-69 (Heft 1)
[IUM/hl]

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