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16.04.2008; 12:15 Uhr
ARD, ZDF und das Internet
Diskussion um Definition des Funktionsauftrags und Drei-Stufen-Test setzt sich fort

Seit Ende März liegt eine erste Entwurfsfassung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vor, mit dem der rechtliche Rahmen für die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gezogen werden soll, und seitdem erhitzen sich die Gemüter insbesondere an einer Formulierung, wonach textbasierte Angebote, die über die Anstaltspräsentation hinausgehen, nur sendungsbezogen zulässig sein sollen, verbunden mit der Auflage, Texte nach einer Woche zu löschen (siehe bereits Meldungen vom 1.4. und 7.4.2008). Verständnis zeigte nun auch Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) für die Sorge der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger vor wettbewerbsverzerrender Konkurrenz zu ihren eigenen Internet-Angeboten: »Die Verlage haben nun einmal nicht den Vorteil, dass sie ihre Angebote wie ARD und ZDF von Gebührenzahlern finanziert bekommen«, sagte Beckstein laut »newsroom.de« vom 16.4.2008. Um einen Verdrängungswettbewerb zu verhindern, plädierte der Ministerpräsident dafür, die Grenzlinie mithilfe des spezifischen öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags zu ziehen - nicht jedes Ratgeber-Angebot zu Haus und Hof, Garten und Herd falle unter den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu Grundversorgung.

Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff hingegen betonte am selben Tag nochmals, in keine ökonomische, sondern allein in eine publizistische Konkurrenz mit den elektronischen Zeitschriften zu treten; vor letzterem gebe es aber keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Er warnte davor, den inhaltlichen Reichtum der ARD-Programme durch einschränkende Regelungen dem Gebührenzahler vorzuenthalten. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK), Volker Giersch. Laut dem Online-Auftritt der »Tagesschau« müsste ein Großteil der bestehenden Angebote trotz hohen gesellschaftlichen Wertes aus dem Online-Angebot entfernt werden, sollte der Staatsvertrag rechtskräftig werden, Online-Dossiers zu den ARD-Themenwochen, zum Schiller-Jahr oder etwa den US-Vorwahlen könnten in Zukunft nicht mehr ins Netz gestellt werden. Und der Deutsche Journalisten-Verband wies bereits am 14.4.2008 darauf hin, dass die Öffentlich-rechtlichen im Internet auch nicht mehr umfassend über lokale Ereignisse berichten dürften. »Das ist nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern auch mit freier Meinungsbildung nicht in Einklang zu bringen, die davon lebt, dass Informationen nicht vorenthalten werden“, sagte der DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken.

Sämtliche Stellungnahmen geben Beispiele zu den Kernproblemen der Diskussion, nämlich der Frage, was zum Funktionsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen gehört sowie der damit verbundenen Umsetzung des sog. »Drei-Stufen-Tests«, auch Public-value-Verfahren genannt. Beide Komplexe sind das Ergebnis der Einigung im Beihilfe-Streit zwischen der Europäischen Kommission und Deutschland vom April 2007 (siehe Meldung vom 24.4.2007). Gerade hier besteht aber nach Ansicht des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e.V. (VPRT) noch erheblicher Nachbesserungsbedarf, insbesondere, was die Effizienz des Tests, die angemessene Einbeziehung Dritter und die Effektivität der Kontrolle angeht. Dem GVK-Vorsitzenden Giersch zufolge liege der Funktionsauftrag in einer möglichst hohen publizistischen Vielfalt und in der Schaffung eines hohen gesellschaftlichen Wertes. Um diesen festzustellen, seien die Gremien schon aufgrund ihrer pluralen Zusammensetzung in besonderer Weise geeignet. Er schlägt fünf Ebenen vor, die - beginnend bei der staatsvertraglichen Beauftragung mit Zielvorgaben - über Richtlinien und programmliche Leitlinien sowie mit Konzepten zu den Telemedien und der Verweildauer in dem Drei-Stufen-Test bei neuen oder wesentlich veränderten Angeboten münden sollen.

Dokumente:

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Selbstverpflichtungen und Autonomie am Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Zugleich zur »Neuen Steuerung« und ihren Verfahren, Aufsatz von Professor Dr. Helmut Goerlich und Anne-Kristin Meier, LL.M. (Edinburgh), Leipzig, ZUM 2007, 889-898 (Heft 12)
[IUM/hl]

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