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08.06.2011; 12:27 Uhr
BGH: Schutzkonzept des KUG nicht durch sitzungspolizeiliche Verfügung erweitert
Angeklagter musste erkennbares Foto in Berichterstattung trotz Verpixelungsanordnung nach GVG hinnehmen

Der BGH hat entschieden, dass Fotos von Angeklagten auch bei sitzungspolizeilicher Anordnung ihrer Verpixelung im Rahmen der Prozess-Berichterstattung abgedruckt werden dürfen. Wenn eine Bildberichterstattung nach dem Schutzkonzept des KUG auch unverpixelt zulässig gewesen wäre, kann sie nicht infolge sitzungspolizeilicher Anordnungen unzulässig sein (Urteil vom 7. Juni 2011, Az. VI ZR 108/10, Veröffentlichung in ZUM oder ZUM-RD folgt).

Es ging im Strafprozess um einen geplanten Terroranschlag auf den ehemaligen irakischen Ministerpräsidenten Allawi in Berlin - ein zeitgeschichtliches Ereignis, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Der Kläger wandte sich gegen eine Berichterstattung in der »BILD«-Zeitung, welche ihn auf einem Foto kenntlich machte. Im Strafprozess war angeordnet worden, dass Fernseh- und Bildaufnahmen verpixelt werden müssen. Dies ging auf einen Beschluss des BVerfG von Ende 2007 zurück: andernfalls wäre die Gefahr einer Prangerwirkung der Aufnahmen für den Angeklagten zu groß gewesen.

Das Berufungsgericht hatte entschieden, dass »das Vertrauen eines Angeklagten in die Wirksamkeit und Beachtung einer sitzungspolizeilichen Anordnung schutzwürdig und im Rahmen der Prüfung des § 23 Abs. 2 KUG als berechtigtes Interesse des Abgebildeten zu berücksichtigen« sei (Kammergericht, Urteil vom 6. April 2010, Az. 9 U 45/09). Die sitzungspolizeilichen Verfügungen des OLG Stuttgart nach § 176 GVG begründeten zwar »kein sich an die Allgemeinheit richtendes Verbot«, sondern dienten nur der geordneten Rechtspflege. Gleichwohl hätten sie mittelbare Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers, welche im Rahmen des berechtigten Interesses nach § 23 Abs. 2 KUG zur Geltung kämen. Zwar seien die Verfügungen verfassungswidrig gewesen. Rechtsfolge sei aber die Anfechtbarkeit, nicht die Nichtigkeit der Verfügungen.

Nach Ansicht des BGH darf das Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG nicht durch sitzungspolizeiliche Verfügungen erweitert werden. Der Kläger hätte danach die Aufnahmen auch unverpixelt hinnehmen müssen und sie nur durch sein Verhalten vereiteln können.

 

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