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01.02.2008; 10:11 Uhr
Brüssel leitet Vertragsverletzungsverfahren wegen Glücksspielstaatsvertrag ein
VPRT, bwin und Deutscher Lottoverband fordern Änderungen zugunsten private Anbieter

Die Europäische Kommission verlangt Auskunft von Deutschland über den Glücksspielstaatsvertrag, auf den sich die Bundesländer Ende 2006 geeinigt hatten und der zum 1.1.2008 in Kraft getreten ist. Wie die Kommission am 31.1.2008 mitteilte, will sie prüfen, ob dieser mit den Binnenmarktbestimmungen der Art. 43, 49 und 56 EG-Vertrag vereinbar ist; die Untersuchung beschränke sich jedoch nur auf die Vereinbarkeit der fraglichen einzelstaatlichen Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht. Nicht berührt werde die Frage einer Liberalisierung des Markts für Glücksspiele oder die Befugnis der Mitgliedstaaten, diesen Markt aus Gründen des öffentlichen Interesses - z. B. im Sinne des Verbraucherschutzes - zu beschränken. Gleichwohl müssten aber solche Regelungen dann »kohärent und systematisch« zur Begrenzung der Wetttätigkeiten sein.

Zweifel hinsichtlich dieser Kohärenz hat Brüssel hier hinsichtlich des generellen Verbots von Glücksspielen im Internet und insbesondere von Sportwetten. Problematisch seien ferner die Beschränkungen der Fernseh-, Internet-, Trikot- und Bandenwerbung, das Zulassungsverfahren für Spielevermittler sowie die strafrechtlichen Sanktionen und Geldbußen, die für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen und die Werbung dafür vorgesehen sind. Umgekehrt seien Internet-Pferdewetten in Deutschland nicht verboten, auch sei das Angebot an Spielautomaten stark ausgeweitet worden. Zudem sei die Werbung für Glücksspiele per Post, in der Presse und im Radio nach wie vor erlaubt.

Die Reaktionen auf die Entscheidung aus Brüssel kamen prompt und fielen auf Seiten der Betroffenen einhellig aus: Sie begrüßten sie. VPRT-Präsident Jürgen Doetz lobte die Kommission für ihr schnelles und konsequentes Vorgehen. Der Glücksspielstaatsvertrag greife »vehement« in die Rundfunkfreiheit ein, zudem würden die Refinanzierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten beschränkt, was zu drastischen Werberückgängen beim privaten Rundfunk führe. Nach Ansicht Norman Fabers, Präsident des Deutschen Lottoverbands, stiegen nun die Erfolgsaussichten der Klagen privater Lottovermittler und der Druck auf die Bundesländer nehme zu. Im Falle einer Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) drohten Straf- und Schadensersatzzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Steffen Pfennigwerth, Inhaber des Wettanbieters bwin e.K., hingegen forderte Bund und Länder auf, sich das Heft des Handelns von Brüssel nicht aus der Hand nehmen zu lassen, sondern die Chance zu ergreifen, ein europaweit tragfähiges Regulierungsmodell zu entwickeln.

Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, um das Aufforderungsschreiben zu beantworten. Überzeugt die Antwort die Kommission nicht, sondern geht sie weiterhin von einem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht aus, so übermittelt sie auf der zweiten Stufe des Vorverfahrens eine mit Gründen versehene Stellungnahme, verbunden wiederum mit einer Frist, innerhalb derer der Vertragsverstoß beseitigt werden soll. Erst nach Ablauf dieser Frist kann die Kommission Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben.

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