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07.03.2008; 15:38 Uhr
Urheberrechtliche Handlungsfelder für einen »Dritten Korb«
Arbeitssitzung des IUM zeigt weiteren Handlungsbedarf auf

Dem Urheberrecht vor einem »Dritten Korb« und den hierfür möglichen Handlungsfeldern widmete sich die Arbeitssitzung vom 7.3.2008 des Instituts für Urheber- und Medienrecht (IUM) in München. In seinen einleitenden Worten forderte Professor Jürgen Becker, Mitglied des Vorstands des IUM, den Gesetzgeber dazu auf, sich weniger interessenpolitisch leiten zu lassen als sich vielmehr einem konzeptionellen Ansatz zu widmen. Anderenfalls drohe auch ein möglicher »Dritter Korb« zu einem »urheberrechtlichen Glasperlenspiel im luftleeren Raum« zu werden.

In dem ersten von fünf Vorträgen ging Professor Gerhard Pfennig, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Bild-Kunst, auf bestehenden Reformbedarf bei der Kabelweiterleitung ein. Nach einem historischen Abriss entwickelte er hierbei zunächst Ansätze, um Erstsendungen von Weitersendungen zu unterschieden. Nach Pfennigs Ansicht seien solche Weitersendungen dann urheberrechtlich relevant, wenn Dritte diese zum Erzielen eigener wirtschaftlicher Erlöse vornehmen würden. Hinsichtlich des Wortlauts des § 20 b Abs. 1 UrhG sei die bisherige Beschränkung auf das Kabel und Mikrowellensysteme aufzugeben zugunsten einer technologieneutralen Ausgestaltung. Für die urhebervertragsrechtliche Seite des § 20 b Abs. 2 UrhG liege eine solche offene Definition, die auch kabellose Vorgänge erfasse, auch im Interesse von Unternehmen, die für ihre Angebote Rechtssicherheit benötigten. Sei dies erfolgt, so bedürfe es keiner weiteren gesetzlichen Anpassungen; vielmehr könnten dann die Beteiligten auf dem Verhandlungswege selbst zu angemessenen Ergebnissen gelangen.

Unter der Überschrift »Ausübende Künstler als Kreative 2. Klasse?« konstatierte Dr. Tilo Gerlach von der Deutschen Orchestervereinigung, dass weder nach dem Gesetz »zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern« noch nach der seit dem 1.1.2008 geltenden Rechtslage eine Verbesserung der ausübenden Künstler zu verzeichnen sei. Sofern mit § 79 Abs. 2 UrhG zwar klargestellt werde, dass das Stammrecht beim ausübenden Künstler verbleiben könne, hätten beide Gesetzesvorhaben dennoch die Geltung des § 31 Abs. 4 UrhG bzw. dessen Substitut nach dem »Zweiten Korb«, den § 31 a UrhG, ausgeschlossen. Letzterer müsse daher ebenso einbezogen und auf die Mitwirkenden bei Filmwerken ausgedehnt werden wie die Regelung des § 79 Abs. 1 UrhG mit der damit verbundenen Möglichkeit einer Vollrechtsübertragung zu streichen sei. Als Lichtblick in diesem Kontext könne daher der Vorstoß von EU-Binnenmarktkommissar Charlie Mc Creevy aufgefasst werden, der Mitte Februar 2008 vorgeschlagen hatte, die Schutzdauer der Rechte ausübender Künstler von 50 auf 95 Jahre nach Erscheinen des Tonträgers verlängern (siehe Meldung vom 14.2.2008).

Als dritter Referent widmete sich Dr. Stefan Müller, Justitiar der GEMA, möglichen Verbesserungsvorschlägen bezüglich des Instrumentariums zur Durchsetzung von gesetzlichen Vergütungsansprüchen für private Vervielfältigung. Dabei forderte er ebenso wie sein Vorredner für die ausübenden Künstler eine Hinterlegungspflicht gem. § 11 Abs. 2 UrhWahrnG auch für diese Ansprüche. Anderenfalls werde der Vergütungsschuldner bevorzugt und das Insolvenzrisiko auf die Urheber abgewälzt. Als weiteres Manko machte Müller die Kontrollrechte gegenüber Importeuren und Händlern aus: Auf der einen Seite würden diese der ZPÜ eine mangelnde Markterfassung vorwerfen, andererseits könnten Kontrollen nur bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der Händler vorgenommen werden. Daher müsste das Kontrollrecht uneingeschränkt bei Händlern und Importeuren Wirkung haben, Enthaftungsmöglichkeiten der Händler entfallen und Verstöße strafrechtlich sanktioniert werden. Als Drittes forderte Müller, eine Ausgestaltung der Meldepflichten als deliktischen Anspruch, um so vor allem bei im Ausland angesiedelten Internet-Anbietern über Art. 5 Nr. 3 EuGVVO dennoch einen inländischen Gerichtsstand begründen zu können.

Danach ging Rechtsanwalt Wolfgang Schimmel auf die Frage der Zulässigkeit eines doppelten Schadensersatzes bei Urheberrechtsverletzungen ein. Dabei zeichnete er die bekannten Argumentationslinien nach, denen zufolge es nicht stimmig sei, bei Verletzungen lediglich denjenigen Betrag einer Lizenz als Schadensersatz anzusetzen, mit dem eine rechtmäßige Verwertung gestattet werde. Auch stehe dem nicht der Gedanke entgegen, dass dem deutschen Recht ein Strafschadensersatz fremd sei, wie dies auch von Seiten des Bundesjustizministeriums behauptet werde. Ansätze zu einem doppelten Schadensersatz seien zu sehen zum einen in dem »GEMA-Zuschlag«, zum anderen auch in der Rechtsprechung bezüglich der Vereinbarung von 100-prozentigen Aufschlägen für den Fall von Rechtsverletzungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, was von den Gerichten nicht als unangemessen gewertet worden sei. Im Übrigen würde dem doppelten Schadensersatz auch nicht EU-Recht entgegenstehen: Die Durchsetzungsrichtlinie erwähne diesen zwar gegenüber der Vorschlagsfassung nicht mehr ausdrücklich, gebe aber in ihren Erwägungsgründen weiterhin die Voraussetzungen wieder, unter denen ein solcher Anspruch gerechtfertigt wäre.

Als letzte Rednerin skizzierte Rechtsanwältin Dr. Kerstin Bäcker die Diskrepanz zwischen den grundsätzlich starken Rechten der Urheber und deren schwacher Durchsetzung. Dieses Dilemma werde besonders deutlich bei dem Auskunftsanspruch im digitalen Umfeld. Gehe man auch hier davon aus, dass geistiges Eigentum schützenswertes Eigentum sei und somit das Internet kein rechtsfreier Raum, so werde aber die Inanspruchnahme von Privatpersonen unter anderem durch die Pattsituation verhindert, wie sie durch die mit dem TKÜ-Gesetz eingeführten §§ 113 a, b TKG entstanden sei, die einen Rückgriff auf dynamische IP-Adressen verhinderten und somit auch eine erfolgreiche Auskunft. Bei Diensteanbietern sei es für die Rechteinhaber besonders schwierig, diejenigen Prüfungspflichten in Gerichtsverfahren darzulegen, um eine Störerhaftung zu begründen; das Prozessrisiko liege also auf Seiten der Rechteinhaber. Bei der Einbindung von reinen Zugangsvermittlern, den Internet-Service-Providern (ISP), gebe es auch hier ein Reihe von Urteilen, die verschiedene Varianten - Sperren des Domain-Name-Servers, Sperren der IP-Adresse oder Einsatz von Filtermechanismen - als nicht zumutbar eingeschätzt hätten (siehe Meldungen vom 24.1.2008 und 14.12.2007). Entscheidungen in Belgien oder Dänemark und insbesondere auch solche Initiativen wie in Frankreich oder England würden aber zeigen, dass es anders ginge. Dafür aber bedürfe es auch des politischen Willens, die Durchsetzung des Schutzes geistigen Eigentums effektiv gewährleisten zu wollen (zu den auch kritischen Stellungnahmen der Sitzungsteilnehmer lesen Sie den Diskussionsbericht zur Veranstaltung, Veröffentlichung in der ZUM 5/2008).

Dokumente:

Institutionen:

Zu diesem Thema:

  • Die Vorträge der Referenten sowie ein Diskussionsbericht erscheinen im Mai-Heft der ZUM (Erscheinungsdatum der ZUM 5/2008: 15.5.2008)
[IUM/hl]

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