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19.03.2008; 10:57 Uhr
BVerfG schränkt Weitergabe von Vorratsdaten ein
Eilentscheidung gilt zunächst für sechs Monate

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Übermittlung der gespeicherten Daten an Strafverfolgungsbhörden (§§ 113 a und b TKG), wozu die Anbieter von Telekommunikationsdiensten seit dem 1.1.2008 durch die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie verpflichtet sind, vorläufig nur für Ermittlungsverfahren zugelassen, die eine schwere Straftat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO zum Gegenstand haben, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre. Damit gab der Erste Senat des BVerfG im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde einem entsprechenden Antrag teilweise statt (Beschluss vom 11.3.2008, Az. 1 BvR 256/08 - Veröffentlichung in der ZUM 5/2008 folgt). Diese Anordnung gilt zunächst für sechs Monate. Darüber hinaus muss die Bundesregierung dem BVerfG zum 1.9.2008 über die praktischen Auswirkungen der Datenspeicherungen und der vorliegenden einstweiligen Anordnung berichten.

Die Karlsruher Richter wiesen in ihrem Beschluss darauf hin, bei ihrer Entscheidung über die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes in noch höherem Maße Zurückhaltung walten lassen zu müssen, sofern es um den Vollzug einer Rechtsnorm gehe, mit der zwingende Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in das deutsche Recht umgesetzt würden. Denn dann sei zudem das Gemeinschaftsinteresse an einem effektiven Vollzug des Gemeinschaftsrechts im Rahmen der anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund scheide eine Aussetzung des Vollzugs der Speicherungspflicht gemäß § 113 a TKG aus. Zwar habe die umfassende und anlasslose Bevorratung sensibler Daten über praktisch jedermann für staatliche Zwecke, ohne zum Zeitpunkt der Speicherung der Daten bereits über deren Verwendung Gewissheit zu haben, einen erheblichen Einschüchterungseffekt. Da sich aber der für den Einzelnen liegende Nachteil für seine Freiheit und Privatheit erst im Moment des Abrufs seiner Daten zu einer möglicherweise irreparablen individuellen Beeinträchtigung verdichte und konkretisiere, könne zum Zeitpunkt der Speicherung noch kein besonders schwerwiegender und irreparabler Nachteil angenommen werden, der es rechtfertigen könnte, den Vollzug der Norm ausnahmsweise im Wege einer einstweiligen Anordnung auszusetzen.

In dem Verkehrsdatenabruf selbst liege aber ein schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG, wenn die einstweilige Anordnung unterbliebe und die Verfassungsbeschwerde sich aber später als begründet erwiese, da so weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten und die sozialen Kontakte des Betroffenen möglich seien. Dies wiege gegenüber den Nachteilen für die effektive Strafverfolgung - wenn sich die angegriffenen Normen später als rechtmäßig erweisen würden - insofern schwerer, als die Voraussetzungen des § 100 a und b StPO nicht vorliegen. Nur im letztgenannten Fall sei die Einschätzung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, nach der die in § 100 a Abs. 2 StPO genannten Straftaten so schwer wiegen, dass sie auch gewichtige Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG rechtfertigen können. Daher seien diese Fälle von der vorliegenden einstweiligen Anordnung auch nicht erfasst.

Vertreter von FDP, Grünen und DIE.LINKE im Bundestag begrüßten die Entscheidung als einen Etappensieg für die Bürgerrechte und ordneten sie als eine Niederlage von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ein. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung forderte bereits den Rücktritt der Ministerin. Dazu wird es wohl nicht kommen.

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