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07.01.2011; 13:29 Uhr
EuGH: Grafische Benutzeroberfläche stellt keine Ausdrucksform eines Computerprogrammes dar
Ausstrahlung der Benutzeroberfläche im Fernsehen ist keine öffentliche Wiedergabe

Der EuGH hat am 22. Dezember 2010 zum urheberrechtlichen Schutz grafischer Benutzeroberflächen entschieden (Az. C-393/09). Der Schutz ergibt sich nach Ansicht des EuGH nicht aus Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 91/250/EWG. Die Regelung sieht vor: »Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht im Sinne dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt«. Laut EuGH stellen grafische Benutzeroberflächen keine Ausdrucksformen dar. Ausdrucksformen eines Computerprogramms sind, wie die Luxemburger Richter in Auslegung der Richtlinie sowie der internationalen Verträge RBÜ und TRIPS feststellen, nur dessen Quellcode und Objektcode. Grafische Benutzeroberflächen sind demgegenüber Interaktionsschnittstellen, die eine Benutzung der Funktionen des Computerprogramms ermöglicht. Damit entfällt ein spezifischer Schutz durch das Urheberrecht für Computerprogramme.

Das vorlegende tschechische Gericht müsse allerdings noch prüfen, ob ein allgemeiner Urheberrechtsschutz nach der Info-Richtlinie (2001/29/EG) gegeben ist. Zu prüfen sei, ob die Benutzeroberfläche originell im Sinne einer geistigen Schöpfung ist. Dies sei zu verneinen, wenn ihre Komponenten durch deren technische Funktion vorgegeben sind.

Die Ausstrahlung der Benutzeroberfläche im Fernsehen stellt nach Ansicht der Luxemburger Richter keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Info-Richtlinie dar. Die Schnittstelle werde den Fernsehzuschauern nur passiv wiedergegeben. Diese hätten keinen Zugang zur Benutzeroberfläche und könnten daher deren Funktionen nicht nutzen.

Auch das OLG Karlsruhe entschied im vergangenen Jahr, dass eine grafische Benutzeroberfläche kein Computerprogramm gemäß § 69 a Abs. 2 S. 1 UrhG darstellt. Das Gericht gab damit seine Rechtsprechung von 1994 auf. Im Fall ging es um eine Bildschirmmaske, die Reisebuchungen ermöglicht. Die Felder der streitigen Oberfläche seien »ganz überwiegend durch sachliche Erfordernisse vorgegeben«. Nur in der grafischen Anordnung der Felder könne daher eine schöpferische Leistung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG liegen, was das OLG im konkreten Fall aber verneinte.

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