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13.11.2013; 15:00 Uhr
BGH entscheidet zum Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst
»Grundsätzlich keine anderen Anforderungen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien Kunst«

Der I. Senat des BGH hat heute unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass an den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst grundsätzlich keine höheren Anforderungen zu stellen sind als an den von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens (Az.: I ZR 143/12 - Geburtstagszug; Veröffentlichung in ZUM bzw. ZUM-RD folgt).

Die Klägerin, eine selbstständige Spielwarendesignerin, zeichnete im Jahr 1998 für die Beklagte gegen ein Honorar von 400 Euro Entwürfe für einen »Geburtstagszug« aus Holz. Die Klägerin vertrat die Auffassung, bei ihren Entwürfen handele es sich um urheberrechtlich geschützte Werke. Angesichts des großen Verkaufserfolges des »Geburtstagszuges« sei die vereinbarte Vergütung zu gering. 

Die Vorinstanzen lehnten den Anspruch der Klägerin auf eine weitere angemessene Vergütung ab. Das Berufungsgericht entschied, dass die Entwürfe der Klägerin Werke der angewandten Kunst seien, die jedoch den nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH für die Annahme eines urheberrechtlichen Schutzes erforderlichen besonderen Anforderungen an die Gestaltungshöhe nicht genügten (Urteil vom 22. Juni 2012, Az.: 6 U 74/12). Hiergegen wehrte sich die Klägerin mit der Argumentation, dass an dieser Rechtsprechung nach der Reform des Geschmacksmusterrechts im Jahr 2004 und im Blick auf die europäische Urheberrechtsentwicklung nicht festgehalten werden könne. 

Der BGH entschied zugunsten der Klägerin, dass durch die Reform des Geschmacksmusterrechts ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht geschaffen und der enge Bezug zum Urheberrecht beseitigt worden sei. Insbesondere setze der Schutz als Geschmacksmuster nicht mehr eine besondere Gestaltungshöhe, sondern die Unterschiedlichkeit des Musters voraus. Da Geschmacksmusterschutz und Urheberrechtsschutz nebeneinander bestehen könnten, rechtfertige der Umstand, dass eine Gestaltung dem Geschmacksmusterschutz zugänglich ist, es nicht, ihr den Urheberrechtsschutz zu versagen oder von besonderen Voraussetzungen abhängig zu machen. Für den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst genüge es, so der BGH jetzt, »dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer ›künstlerischen‹ Leistung zu sprechen«. 

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG Schleswig zurückverwiesen. Dieses wird nun zu prüfen haben, ob die von der Klägerin entworfenen Spielwaren den geringeren Anforderungen genügen, die nunmehr an die Gestaltungshöhe von Werken der angewandten Kunst zu stellen sind.

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