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29.04.2008; 10:28 Uhr
KJM sieht Sperrungsverfügungen im Internet als »ultima ratio«
Gutachten weisen auf technische und rechtliche Schwierigkeiten hin, insbesondere auf Gefahren für das Fernmeldegeheimnis

Sperrungsverfügungen gegen Internet-Access-Provider sind zwar grundsätzlich zulässig, unterliegen jedoch in technischer Hinsicht diversen Umgehungsmöglichkeiten und greifen in rechtlicher Hinsicht mit Blick auf die verschiedenen Sperrtechniken in das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis ein. Dies ist das Ergebnis zweier von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in Auftrag gegebener Gutachten. Wie der KJM-Vorsitzende Wolf Dieter Ring am 28.4.2008 erklärte, soll daher in Zukunft der Dialog statt Restriktion mit Access-Providern im Vordergrund stehen, um z. B. im Wege von freiwilligen Selbstverpflichtungen nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) unzulässige und jugendgefährdende Angebote zu sperren - gem. § 20 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 2-4 RStV ist die KJM zu Sperrungsverfügungen als Aufsichtsmaßnahme berechtigt. Nur wenn alle anderen Mittel fruchtlos blieben, kämen Sperrungsverfügungen als »ultima ratio« in Betracht, so Ring.

So kommt das technische Gutachten in seinem »Executive Summary« zu dem Schluss, dass eine vollständige Sperrung unerwünschter Inhalte nicht möglich sei. Jedoch würden für einen Großteil der Datenübertragung Sperrmaßnahmen existieren, die unter Umständen effektiv und effizient eingesetzt werden könnten. Gleichwohl sei jede Sperre mit Nebenwirkungen verbunden, wie beispielsweise der Beeinträchtigung von nicht von der Sperre betroffenen Diensten. Daher würden auch keine konkreten Sperrmaßnahmen empfohlen, sondern die Abwägung der Nebenwirkungen und Sperranforderungen im Einzelfall.

In rechtlicher Hinsicht seien für die Durchführung von Sperrmaßnahmen die Daten entscheidend, die den jeweiligen Internet-Anbietern bei ihrer Geschäftserbringung vorliegen würden. Hier sei dann zu unterscheiden nach den verschiedenen Sperrtechniken: »Grobe« Mechanismen, die sich entweder an IP-Adressen orientierten, dann aber wenig trennscharf seien und somit auch legale Inhalte erfassen könnten, »feinere« Techniken, insbesondere URL-Adressen-basierte, die jedoch einen größeren technischen und organisatorischen Aufwand mit sich brächten, der nicht von jedem Anbieter erbracht werden könne, und einer Kombination dieser beiden Techniken. Letztlich gelangt das juristische Gutachten zu dem Ergebnis, dass in vielen Fällen die Umsetzung von Sperrverfügungen in das Fernmeldegeheimnis eingreifen würde, da hiernach nicht nur die Inhalte einer Kommunikation, sondern auch die näheren Umstände, also z.B. die IP-Adresse und die Portnummern, die bei den meisten Sperrtechnologien flächendeckend ausgewertet werden müssten, geschützt seien. Dieser Eingriffsintensität hinsichtlich der Datenanalyse werde zudem in der gegenwärtigen Rechtslage nicht hinreichend Rechnung getragen, die in Hinblick auf die Effektivität der Regelungen, den Rechtsschutz der Betroffenen und die Kostentragungspflichten zahlreiche Mängel aufweise. Letztlich blieben vor diesem Hintergrund nur bestimmte Techniken wie Manipulationen an Domain-Name-Servern zulässig.

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