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27.04.2016; 20:29 Uhr
BVerfG: Urteilsverkündung in Sachen »Sampling« am 31. Mai 2016
Beschwerdeführer sehen sich in Kunstfreiheit verletzt

Der Erste Senat des BVerfG wird laut eigener Pressemitteilung auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 25. Novemver 2015 am 31. Mai 2016 sein Urteil in Sachen »Sampling« verkünden. Das BVerfG hat sich in diesem Zusammenhang mit einer Verfassungsbeschwerde zu befassen, mit der sich die Beschwerdeführer gegen die Rechtsprechung des BGH zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des »Samplings« wenden.

Im Fall hatten die Mitglieder der Musikgruppe »Kraftwerk« die Komponisten des von Sabrina Setlur gesungenen Stücks »Nur mir« sowie den Tonträgerhersteller wegen der Verwendung einer 2-sekündigen Rhythmussequenz aus ihrem Song »Metall auf Metall« verklagt. Die Kläger sahen sich in ihren Rechten als Tonträgerhersteller verletzt, da die Beklagten die Sequenz elektronisch kopiert (»gesampelt«) und dem Titel »Nur mir« in fortlaufender Wiederholung (»Loop«) unterlegt hätten, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene Rhythmussequenz selbst einzuspielen. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung in Anspruch genommen.

Die erste Instanz hatte der Klage stattgegeben (LG Hamburg vom 8. Oktober 2004, Az.: 308 O 90/99). Auch das Berufungsgericht (OLG Hamburg vom 7. Juni 2006, ZUM 2006, 758 - Volltext bei Beck Online) wies die Berufung der Beklagten zurück. Im Revisionsverfahren hat der BGH das Urteil des OLG Hamburg allerdings aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen (Urteil vom 20. November 2008, ZUM 2009, 219 mit Anmerkung von Malte Stieper ZUM 2009, 223 - Volltext bei Beck Online). Nach den Vorgaben der Bundesrichter war noch zu prüfen, ob sich die Komponisten des Stücks »Nur mir« hinsichtlich der Verwendung des Samples auf die freie Benutzung berufen können (vgl. Meldung vom 22. August 2011). Der BGH wendete § 24 UrhG im Rahmen der Tonträgerherstellerrechte der Kläger analog an. Denn wenn eine freie Benutzung von urheberrechtlich geschützten Werken erlaubt ist, müsse dies erst recht gegenüber Leistungsschutzrechten gelten - auch wenn in diesem Fall die Gestaltungsmöglichkeiten geringer seien. Eine Analogie komme aber nicht in Betracht, wenn der Verwender eines Samples in der Lage ist, die Sequenz auch selbst einzuspielen. Dann stehe das Original einer kulturellen Weiterentwicklung, wie sie von § 24 UrhG gewahrt werden solle, nicht entgegen und eine Berufung auf die freie Benutzung müsse dem Samplenden verwehrt bleiben.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das OLG durch Urteil vom 17. August 2011 die Verurteilung der Beklagten bestätigt (ZUM 2011 748 mit Anmerkung von Dr. Simon Apel ZUM 2011, 755 - Volltext bei Beck Online). Nach Ansicht der Richter war das »Metall auf Metall«-Sample für einen »mit durchschnittlichen Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten« ausgestatteten Musikproduzenten nachspielbar. Auch gegen dieses Urteil legten die Beklagten Revision ein. Diese wurde vom BGH abgewiesen, da das Berufungsgericht mit Recht darauf abgestellt habe, ob es einem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der Benutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original gleichwertig ist. Das Berufungsgericht habe weiter ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Beklagten nach diesen Maßstäben in der Lage gewesen wären, die aus »Metall auf Metall« entnommene Sequenz selbst einzuspielen.

Die Beschwerdeführer, u.a. zwei Komponisten und die Musikproduktionsgesellschaft, machen der Pressemitteilung des BVerfG zufolge mit ihrer Verfassungsbeschwerde insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts auf Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geltend. Die Annahme eines urheberrechtlichen Eingriffs in das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers bereits bei der Entnahme kleinster Ausschnitte aus einer fremden Tonspur verletze schon für sich genommen die Kunstfreiheit. Jedenfalls nicht selbstständig auswertbare Teile eines Tonträgers könnten nicht dem Schutz des § 85 UrhG unterfallen. Das Sampling bewirke zudem nur einen geringfügigen Eingriff in die Tonträgerherstellerrechte ohne die Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile, weshalb das Interesse des Tonträgerherstellers am Schutz seines geistigen Eigentums gegenüber der künstlerischen Entfaltungsfreiheit zurücktreten müsse.

Auch das Kriterium für ein Recht auf freie Benutzung und dessen Anwendung im konkreten Fall trage der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung. Es genüge nicht dem Gebot der Bestimmtheit und verunsichere die Musikschaffenden darüber, ob ihr Tun Leistungsschutzrechte verletze. Musikschaffenden werde es unmöglich, sich mit Tonaufnahmen der Vergangenheit musikalisch auseinanderzusetzen, die die heutige Popmusik, insbesondere die elektronische Musik, maßgeblich prägten. Darüber hinaus mache es keinen Sinn zu verlangen, dass der Ausschnitt selbst hergestellt werde, da durch die Bezugnahme auf das gesampelte Werk gerade der Originalkontext gesucht werde.

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