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09.06.2020; 11:36 Uhr
Seehofer unterliegt vor BVerfG
Veröffentlichung von Interview verletzte AfD in ihren Rechten

Durch die Veröffentlichung eines Interviews mit der dpa auf der Webseite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat der Bundesinnenminister Horst Seehofer gegen das Gebot staatlicher Neutralität verstoßen und das Recht der Alternativen für Deutschland (AfD) auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb verletzt. Das hat heute das BVerfG in dem entsprechenden Organstreitverfahren entschieden (2 BvE 1/19).

In dem Interview kritisierte Seehofer die Partei und bezeichnete deren Verhalten als "staatszersetzend" und "schäbig". Außerdem beschrieb der CSU-Politiker eine zunehmende Radikalisierung der Partei. Konkreter Auslöser für die Kritik waren Äußerungen von Mitgliedern der AfD im Bundestag, welche sich gegen den Bundespräsidenten Steinmeier richteten. Das Interview wurde bereits im Oktober 2018 wieder von der entsprechenden Webseite genommen.

Das Gericht führte hierzu aus, dass zwar Mitglieder der Bundesregierung im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit durchaus dazu berechtigt sind, Kritik an ihrer Arbeitsweise auch öffentlich zurückzuweisen. Dieses Recht findet jedoch seine Grenzen, wenn Regierungsmitglieder durch ihre Äußerungen in den freien Wettbewerb des politischen Meinungskampfes eingreifen und dabei auf Ressourcen ihres Regierungsamtes zurückgreifen. Ob sich die entsprechende Person in ihrer Stellung als Amtsträger oder als Parteipolitiker äußerte, sei laut BVerfG aus den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln.

Demgemäß stellte das Gericht im konkreten Fall fest, dass die Äußerungen Seehofers die Grenze des Neutralitätsgebotes überschritten hätten. Sie stellten eine nicht mehr hinzunehmende negative Kritik dar, welche auch nicht durch die Befugnis der Bundesregierung zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit gedeckt sei. Der negativen Qualifizierung der AfD durch den Minister wohne auch ohne Aufruf zur Nichtwahl die Gefahr einer Beeinflussung des Wählerwillens inne. Zwar ergebe der Gesamtzusammenhang, dass Seehofer das Interview als privater Parteipolitiker und nicht als Amtsträger geführt habe. Gleichwohl habe er sich durch die Veröffentlichung auf der Webseite des BMI seiner Mittel und seiner Autorität als Bundesinnenminister bedient und damit die Reichweite des Interviews gesteigert. Somit sei vorliegend das Neutralitätsgebot zu beachten gewesen.

In einem ähnlich gelagerten Fall gegen die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka hatte das BVerfG bereits im Jahr 2018 entschieden, dass sich Mitglieder der Bundesregierung bei Äußerungen gegenüber Parteien zurückhalten müssten (2 BvE 1/16).

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