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25.10.2011; 09:20 Uhr
Auswirkungen des BGH-Urteils zum Presse-Grosso unklar
Zeitschriftenverleger: Ausstehendes Urteil des LG Köln bereitet mehr Sorge

Das derzeitige Grosso-Vertriebssystem mit seinen Vertriebsmonopolen für Grossisten ist auch in den Augen einiger Verlage unbedingt schützenswert. Wie Olaf Conrad von Gruner + Jahr auf den Münchener Medientagen erklärte, sichere es die Pressevielfalt. Außerdem, so Conrad, sei es die wirtschaftlich beste Alternative für die Verlage. Dies sah der Bauer-Verlag hinsichtlich der Distribution seiner Erzeugnisse im Nordwesten Hamburgs nicht so, kündigte seinem bisherigen Zulieferer Grade ohne Begründung und lagerte den Vertrieb an seine Tochtergesellschaft PVN aus. Die Rechtmäßigkeit seiner Kündigung hat der BGH gestern bestätigt (Az. KZR 7/10). Eine Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich laut BGH weder aus der »Gemeinsamen Erklärung zum Grosso-Vertriebssystem«, noch aus § 20 Abs. 1 GWB, noch aus sonstigen Billigkeitserwägungen.

Die »Gemeinsame Erklärung zum Grosso-Vertriebssystem« wurde 2004 vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und vom Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten (BVPG) als Selbstverpflichtung abgeschlossen. Ihre Hauptziele sind die »Erhaltung eines leistungsfähigen Sortiments-Grossos, Neutralität im Vertrieb sowie Marktzutritt für alle Zeitungen und Zeitschriften«. Sie wird nach Angaben des BVPG als »Magna Charta des Pressevertriebs« und »zukunftsfähige Struktur« bezeichnet. Dieser Erklärung kommt aber, wie der BGH ausführt, für Bauer Media keine Bindungswirkung zu, weil ihr der Verlag nicht beigetreten sei und sie auch sonst nicht verbindlich anerkannt habe.

Verstöße gegen das wettbewerbsrechtliche Behinderungs- und Diskriminierungsverbot verneinte der Kartellsenat des BGH ebenfalls. In der Belieferung eines unternehmenseigenen Vertriebshändlers liege keine Behinderung im Sinne des GWB, weil es jedem Unternehmen grundsätzlich frei stünde, den Vertrieb seiner Produkte selber zu übernehmen. Auch eine Diskriminierung Grades gegenüber noch exklusiv belieferten Grossisten in anderen Regionen liege nicht vor, weil davon nicht seine Wettbewerbschancen beeinträchtigt seien. Im Rahmen der Untersuchung besonderer einer Kündigung möglicherweise entgegenstehenden Umstände erörtern die Bundesrichter die Bedeutung der Pressefreiheit und deren Sicherung durch die Preisbindung. Sie sahen allerdings keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der Gewährleistung der Preisbindung und einem regionalen Grosso-Monopol.

»Das Monopol der Grossisten wackelt«, titelte die »Financial Times Deutschland«. Auf den Münchener Medientagen wurde auch über die möglichen Auswirkungen des gestrigen Urteils des BGH diskutiert. Dabei wies Andreas Schoo vom Bauer-Verlag darauf hin, dass die meisten Verlage bereits langfristige Verträge mit ihren Grossisten abgeschlossen hätten und auch der Bauer-Verlag das Grosso-Vertriebssystem nicht grundsätzlich infrage stelle. Eine gewisse »Sprengkraft« habe jedoch das derzeit beim LG Köln anhängige Verfahren, in dem der Verlag das Recht auf bilaterale Verhandlungen mit Presse-Grossisten erstreiten will, also das Recht, statt des Grossoverbands selbst mit den Zwischenhändlern die Konditionen aushandeln zu dürfen. Der VDZ ist ebenfalls weniger wegen der BGH-Entscheidung, als wegen des ausstehenden Kölner Urteils besorgt. BGH-Präsident Klaus Tolksdorf wies nach Berichten der »Süddeutschen Zeitung« darauf hin, dass mit dem Urteil das Grossosystem zwar nicht begraben sei. Denn in Hamburg und Berlin gebe es bereits ein »Doppel-Grosso« das funktioniere und Grade behalte auch nach Wegfall des Bauer-Sortiments in seiner Region eine »überragende Stellung«. Er räumte jedoch erhebliche Auskwirkungen auf das derzeitige Vertriebssystem ein.

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