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03.04.2003; 18:21 Uhr
Umsatzsteuerbefreiung nur für Einrichtungen, nicht aber für Einzelkünstler gemeinschaftsrechtswidrig
Entscheidung des EuGH - "Verstoß gegen Grundsatz der steuerlichen Neutralität"

Die nach geltendem deutschen Steuerrecht vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung nur für kulturell tätige Einrichtungen und Künstlergruppen, nicht aber auch für Einzelkünstler, ist gemeinschaftsrechtswidrig. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch Urteil vom 3.4.2003 (Az. C-144/00). Die Richter hatten über eine Vorlage des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) zu entscheiden, der den EuGH um eine Stellungnahme zur Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (Sechste Umsatzsteuer-RL) gebeten hatte. Im Fall hatte der deutsche Konzertveranstalter Matthias Hoffmann eine Welttournee der sogenannten "Drei Tenöre" organisiert, in deren Rahmen auch zwei Konzerte in Deutschland stattfanden. Von den für die beiden Auftritte an die drei Sänger gezahlten Gagen behielt der Unternehmer weder Umsatzsteuer ein noch führte er sie an das zuständige Finanzamt ab, obwohl er dazu nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) verpflichtet gewesen wäre, weil alle "Drei Tenöre" ihren Wohnsitz im Ausland hatten. Das Landgericht Mannheim (LG) verurteilte Hoffmann deswegen im Dezember 1998 wegen Steuerhinterziehung. Gegen dieses Urteil legte der Konzertveranstalter mit der Begründung Revision ein, die Umsatzsteuerbefreiung für kulturell tätige Einrichtungen, nicht aber für Einzelkünstler stelle eine ungerechtfertigte Diskriminierung dar.

Der EuGH stellte in seiner Entscheidung klar, dass die EU-Mitgliedsstaaten zwar das Recht hätten, die Steuerbefreiung für Umsätze im kulturellen Bereich von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen. Denkbar sei beispielsweise, dass nur ohne Gewinnerzielungsabsicht betriebene Tätigkeiten von der Umsatzsteuer befreit würden oder dass eine Umsatzsteuerbefreiung unter der Voraussetzung erfolge, dass die an der kulturellen Leistung beteiligten im Wesentlichen ehrenamtlich tätig würden. Falls in einem EU-Mitgliedsstaat eine entsprechende Steuerbefreiung erfolge, müsse sie aber gleichermaßen für Einzelpersonen, Personengruppen und Einrichtungen erfolgen. Das gebiete der Grundsatz der "steuerlichen Neutralität". Insbesondere gebe es keinen Grund, die Umsätze von Einrichtungen und Personengruppen auf der einen und die von Einzelpersonen auf der anderen Seite umsatzsteuerrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Einzelpersonen könnten ihre Tätigkeit genauso wie Personengruppen hauptberuflich, nebenberuflich oder aus Liebhaberei ausüben und dabei mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht, gegen Aufwandsentschädigung oder völlig unentgeltlich tätig werden. Der EuGH stellte daneben klar, dass die Sechste Umsatzsteuer-RL es auch ermögliche, mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Tätigkeiten wegen ihres kulturellen Charakters von der Umsatzsteuer zu befreien. Die Gewinnerzielungsabsicht schließe nicht aus, dass es sich bei der Leistung um eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit handele, meinten die Richter.

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