Wikimedia Foundation kann Pressefreiheit für sich in Anspruch nehmen
Bei Fragen zur Veröffentlichung von Artikeln über einzelne Personen im Online-Lexikon »Wikipedia« kann sich der Betreiber, die Wikimedia Foundation auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen. Dies entschied das Landgericht Tübingen ( Az.: 7 O 525/10 vom 18. Juli 2012 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt) einem Bericht von »Heise Online« zufolge und wies die Klage eines Professors der Universität Tübingen ab, der sich damit gegen einen »Wikipedia«-Eintrag zu seiner Person wandte. Insbesondere wollte er den Bericht über seine Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen unterbinden. Er befürchtete, dass sich die Informationen negativ auf seine künftige berufliche Laufbahn auswirken könnten. Das Gericht sah in dem Bericht über Beruf, Lebenslauf und die Mitgliedschaft in katholischen Studentengemeinschaften des Professors zwar einen Eingriff in die Sozialsphäre des Akademikers. Im Rahmen der Abwägung mit dem Grundrecht der Pressefreiheit der Beklagten kam das Gericht aber zu dem Ergebnis, dass die wahren Tatsachenbehauptungen weiterhin auf Wikipedia abrufbar gestellt sein dürfen. Äußerungen, welche die Sozialsphäre betreffen, seien grundsätzlich hinzunehmen. Das Persönlichkeitsrecht verleihe seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm sei. Zu den hinzunehmenden Folgen gehörten auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung der wahren Tatsachen ergäben. Der abrufbereite Eintrag entfalte darüber hinaus keine erhebliche Breitenwirkung.
Auch das Landgericht Schweinfurt (Az.: 22 O 934/10 vom 23. Oktober 2012 - Veröffentlichung in der ZUM bzw. ZUM-RD folgt) hatte einen Fall zur Frage der Löschung eines Beitrags auf »Wikipedia« zu entscheiden. Hierbei stellten sich Fragen zum postmortalen Persönlichkeitsrecht. Der Sohn eines verstorbenen deutschen Juristen hatte »Heise Online« zufolge geklagt, weil er das Ansehen seines Vaters durch den »Wikipedia«-Artikel geschädigt sah. In dem Artikel seien mehrere nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen enthalten. Unter anderem werde fälschlicherweise über eine NSDAP-Mitgliedschaft seines Vaters bis zum Jahr 1939 berichtet. Dieser sei aber bereits im Jahr 1934 ausgeschlossen worden. Die Klage wurde abgewiesen, da das Gericht keinen Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht feststellen konnte. Das Urteil lässt offen, ob sich die Beklagte auf das Grundrecht der Pressefreiheit hätte berufen können. Der postmortale Schutz der Persönlichkeit sei vor allem darauf ausgerichtet, den Verstorbenen vor unwahren Behauptungen, vor Herabsetzungen und Erniedrigungen sowie vor groben Einstellungen seines Bildes und seiner Lebensleistung zu schützen. Davon dürfe aber nicht schon dann ausgegangen werden, wenn das Ansehen einer Person postmortal möglicherweise gegen ihr Selbstverständnis zu Lebzeiten benutzt werde. Auch wenn die Aussage über die Dauer der Mitgliedschaft nicht korrekt sei, so lasse sich hieraus ein Schluss auf die innere Gesinnung des Verstorbenen nicht ziehen. Der Umstand der Mitgliedschaft in der Partei sei richtig wiedergegeben. Eine Verzerrung der Persönlichkeit stelle allein die falsche Dauer einer Parteizugehörigkeit nicht dar. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Rechtsmittel eingelegt.
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