mobiles Menü Institut für Urheber- und Medienrecht
12.12.2012; 14:39 Uhr
Sachsensumpf: Journalisten von Berufungsgericht freigesprochen
Anwendung des Strafrechts gegenüber dem Presserecht soll »Ultima Ratio« bleiben

Im Prozess um die Berichterstattung der freien Journalisten Arndt Ginzel und Thomas Datt zum »Sachsensumpf« hat das Landgericht Dresden die beiden Journalisten am Montag dieser Woche freigesprochen (Az.: 12 Ns 900 Js 28869/08). Das Amtsgericht Dresden (AG Dresden) hatte die beiden wegen übler Nachrede gem. § 186 StGB zu einer Geldstrafe von je 50 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt - sowohl die Angeklagten, als auch die Staatsanwaltschaft Dresden hatten Berufung eingelegt (Az.: 231 Cs 900 Js 28869/08 vgl. Meldung vom 23. August 2012). Einem Bericht auf »Spiegel Online« zufolge hob das LG Dresden das Urteil auf und folgte damit der Forderung der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte Geldstrafen von je 6000 Euro gegen die beiden Journalisten gefordert.

Stein des Anstoßes waren zwei Fragen, die die Journalisten in einem 2008 auf »Zeit Online« erschienenen Artikel gestellt hatten: »Ermittelten die Polizisten möglicherweise illegal oder verdeckt gegen N.? Gerieten sie unter Druck, weil der einflussreiche Richter Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie erhob?«. In dem zweiten Satz sah das AG Dresden den Vorwurf der üblen Nachrede erfüllt. In dem Bericht ging es um den Verdacht krimineller Netzwerke und der Bestechung in Leipzig Anfang der 1990er Jahre. Anlass zur Recherche der beiden Journalisten waren eingestellte Ermittlungen gegen hochrangige Richter, die im Verdacht standen, Kinderprostituierte aufgesucht zu haben. Die beiden Journalisten hatten einem Bericht der »FAZ« zufolge zum sogenannten »Sachsensumpf« recherchiert, einem, wie sich später herausstellte, »weitgehend erfundenen« mafiösen Kartell zwischen Justiz, Politik, Polizei und organisierter Kriminalität, in dem auch das Bordell mit Kinderprostituierten, das es tatsächlich gab, eine Rolle spielte. 

In einem weiteren 2008 erschienenen Artikel im »Spiegel«, der ebenfalls das Bordell zum Gegenstand hatte, hatte die Staatsanwaltschaft laut der »FAZ« einzelne Passagen über die ehemaligen Richter, die als vermeintliche Freier nicht genannt, aber identifizierbar waren, als ehrverletzende Tatsachenbehauptungen bewertet. Dem folgte das Amtsgericht nicht, da die Journalisten für den Artikel zwar recherchiert, diesen aber nicht verfasst hätten. 

Die Entscheidung der zweiten Instanz begründete der Vorsitzende Richter der 12. Strafkamer am Landgericht DresdenMartin Schultze-Griebler, laut »Spiegel Online« unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach streitbare Medienäußerungen stets im Kontext zu sehen seien. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der beiden strittigen Artikel im Jahr 2008 seien viele Verdachtsmomente noch nicht ausgeräumt gewesen. Die aufgeworfenen Fragen seien legitim. Die Anwendung des Strafrechts gegenüber dem Presserecht sollte »Ultima Ratio« bleiben. Einer Pressemitteilung des LG Dresden wäre die Berichterstattung nach Prüfung durch einen erfahrenen Presserechtler auch als unvermeidbarer Verbotsirrtum entschuldigt.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte im Laufe des Verfahrens stets moniert, dass in einem Fall wie dem vorliegenden der Weg über Unterlassungsansprüche des Presserechts hätte gegangen werden müssen. DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken begrüßte das Urteil als »Sieg für die Pressefreiheit in Deutschland«. Das harte Vorgehen der Justiz gegen die beiden Kollegen sei korrigiert worden, so Konken laut einer Pressemitteilung des DJV.

Dokumente:

[IUM/kr]

Permanenter Link zu dieser News Nr. 4826:

https://www.urheberrecht.org/news/4826/


Zurück zur Liste


Der kostenlose Service unserer Online-Redaktion.

Das IUM dokumentiert die politischen und rechtlichen Entwicklungen aus dem Bereich des Urheber- und Medienrechts und gibt einen tagesaktuellen Newsletter heraus. Dieser informiert über neue Gerichtsentscheidungen und laufende Gesetzgebungsverfahren und ist dabei dem Gebot strikter Neutralität verpflichtet. Fördermitglieder erhalten den Newsletter vorab per E-Mail. Sein Inhalt wird hier dokumentiert.

Hier können Sie sich für den IUM Newsletter anmelden!

Gerne schicken wir Ihnen auch alle aktuellen Informationen per Mail.