EGMR: Berufsverbot gegen Chefredakteur wegen Nichtveröffentlichung einer Berichtigung ist unverhältnismäßig
Der EGMR hat mit seinem Urteil vom 3. April 2012 (Az.: 43206/07) entschieden, dass die Verurteilung eines Journalisten zu einem zweijährigen Berufsausübungsverbot wegen einer unterlassenen Veröffentlichung einer Berichtigung unverhältnismäßig ist und damit eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK darstellt. Hintergrund war ein im Jahr 2005 in einer lokalen Wochenzeitung in Polen veröffentlichter Artikel, der sich kritisch mit einer örtliche Kläranlage auseinandersetzte. Auf einen vom Bürgermeister der betreffenden Stadt formulierten Beschwerdebrief hin, in dem dieser eine Berichtigung des streitgegenständlichen Artikels verlangte, reagierte der Chefredakteur nicht. In dem daraufhin von der Stadt angestrengten Privatklageverfahren verurteilte das polnische Gericht den Chefredakteur u.a. dazu, dass er für zwei Jahre das Recht zur Berufsausübung als Journalist verloren habe.
Der EGMR hielt in seiner Begründung zunächst fest, dass die Verpflichtung als solche, eine Berichtigung bzw. Gegendarstellung zu drucken, nicht als exzessiv oder unverhältnismäßig beurteilt werden könne. Das Gleiche gelte auch für die Verpflichtung, den Betroffenen zu informieren, wenn eine Berichtigung nicht abgedruckt wird. Da im vorliegenden Fall weder eine Berichtigung abgedruckt, noch der Betroffene über die Nichtveröffentlichung informiert wurde, lag nach Auffassung des EGMR zwar eine Verletzung der Berufspflichten vor. Die strafrechtliche Sanktion eines Berufsverbotes sei jedoch im Beschwerdefall unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK unverhältnismäßig.
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