LG Frankfurt/Main entscheidet zu Handel mit »gebrauchter« Software
Das LG Frankfurt am Main hat entschieden, dass der Handel mit »gebrauchter« Software gegen Urheber- und Markenrechte der Softwarehersteller sowie gegen das Wettbewerbsrecht verstößt (Urteil vom 27. April 2011, Az. 2-06 O 428/10, Veröffentlichung in ZUM oder ZUM-RD folgt). Das beklagte Unternehmen erwirbt die »gebrauchte« Software von Dritten, die ihrerseits vergünstigte Volumenlizenzen (»EDU-Lizenz« für Bildungseinrichtungen) vom Hersteller erhalten und die Software nach Download auf DVDs brennen. An ihre Kunden verkauft die Beklagte dann ein Paket, bestehend aus einem Datenträger (auch bei mehreren Softwarelizenzen), Seriennummern zur Softwareinstallation, AGB, einer von ihr erstellten Lizenzurkunde und einer notariellen Bestätigung des Softwarelizenzerwerbs.
Die Beklagte verbreitete damit nach den Ausführungen des LG Frankfurt am Main »per se nicht verkehrsfähige Datenträger«. Rechtmäßig habe die Klägerin mit AGBs den Kreis der Vervielfältigungsberechtigten im Volumenlizenzvertrag auf Bildungseinrichtungen beschränkt. Daher seien bereits die von den Dritten hergestellten DVDs rechtswidrig. Nach Ansicht der Frankfurter Richter kam es aufgrund der fehlenden Zustimmung der Klägerin zu diesen Vervielfältigungen auf die Frage des Erschöpfungsgrundsatzes nach § 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG und Art. 4 Abs. 2, 1. Halbsatz der Software-Richtlinie (2009/24/EG) nicht an. Zu diesem Ergebnis kamen in einem noch nicht abgeschlossenen anderen Rechtsstreit gegen die Beklagte auch das LG München I und das OLG München. Der BGH hatte jedoch Bedenken und legte die Frage deswegen dem EuGH zur Vorabentscheidung vor (vgl. Meldung vom 4. Februar 2011). Nach Ansicht der Bundesrichter könnte § 69 d UrhG greifen. Dafür müsste die Anfertigung der Datenträger eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms durch den rechtmäßigen Erwerber sein.
Das LG Hamburg bejahte die analoge Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes beim Handel mit »gebrauchter« Software. Vervielfältigungsstücke nach § 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG analog seien danach nicht nur für einzelne Softwarenutzungsrechte erstellte Datenträger, sondern auch Masterkopien, die zur Installation für mehrere Accounts in Firmen (Volumenlizenz für Großkunden) bereitgestellt werden (vgl. Meldung vom 19. Oktober 2006). Hinsichtlich der Erstellung weiterer Datenträger durch den Ersterwerber, um die es auch im Fall des LG Frankfurt am Main geht, stellte das LG Hamburg auf § 69 d UrhG ab (»implied license«): »Nach Eintritt der Erschöpfung analog § 69 c Nr. 3 Satz 2 UrhG sind sowohl Erst- als auch Zweiterwerber zur Verwendung der Software Berechtigte im Sinne von § 69 d Abs. 1 a. E. UrhG«. Das OLG Frankfurt am Main sieht dies anders: »Nicht auf einem Datenträger verkörperte, aus dem Internet herunterzuladende oder von einer Masterdisk zu vervielfältigende Software darf mangels Erschöpfung nicht ohne Zustimmung des Rechtsinhabers übertragen werden«.
Dokumente:
- Beschluss des BGH vom 3. Februar 2011, Az. I ZR 128/09 (UsedSoft), ZUM 2011, 397 (Volltext bei Beck Online)
- Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 18. Mai 2010, Az. 11 U 69/09, ZUM 2011, 419 (Volltext bei Beck Online)
- Urteil des LG Hamburg vom 29. Juni 2006, Az. 315 O 343/06, ZUM 2007, 159 (Volltext bei Beck Online)
Institutionen:
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